Die Clans des Alpha-Mondes: Roman
hatte sie auch noch vornehmen lassen; es war einfach zuviel für sie.
»Ja?« sagte die Empfangsdame und sah sie durch ein verziertes, elegantes Monokel an. Als sie Marys Frostigkeit spürte, zogen sich ihre Nippel leicht zurück, als würden sie sich furchtsam unterwerfen.
»Ich möchte Mr. Feld sprechen. Ich bin Dr. Mary Rittersdorf; ich habe nicht viel Zeit. Ich muß um drei Uhr New Yorker Zeit zur TERPLAN-Mondbasis abreisen.« Sie ließ ihre Stimme so fordernd und geschäftsmäßig klingen wie möglich.
Nach einer Reihe bürokratischer Handlungen von Seiten der Empfangsdame wurde Mary eingelassen.
Jerry Feld saß hinter einer Eichentisch-Imitation – echte Eichen gab es seit einem Jahrzehnt nicht mehr – vor einem Videorecorder und war in seine Geschäfte vertieft. »Einen Moment noch, Dr. Rittersdorf.« Er deutete auf einen Sessel. Mary nahm Platz, schlug die Beine übereinander und steckte sich eine Zigarette an.
Auf dem winzigen TV-Schirm brachte Bunny Hentman gerade eine Nummer, in der er einen deutschen Industriekapitän spielte. Er trug einen blauen Zweireiher und erklärte den Mitgliedern seines Aufsichtsrates, wie man die neuen autonomen Pflüge, die ihr Konzern produzierte, für Kriegszwecke nutzen könne. Sobald neue Feindseligkeiten ausbrachen, konnten sich vier Pflüge zu einer Einheit zusammenschließen; dann waren sie keine Pflüge mehr, sondern Lafetten zum Abfeuern von Raketen. All dies erklärte Bunny mit knallhartem deutschen Akzent, und er tat so, als ginge es um eine großartige Errungenschaft. Feld kicherte.
»Ich habe nicht viel Zeit, Mr. Feld«, sagte Mary steif.
Feld hielt das Videoband zögernd an und wandte sich zu ihr um. »Ich habe Bunny die Manuskripte gezeigt. Er ist interessiert. Ihr Gatte hat zwar einen trockenen, äußerst schwarzen Humor, aber er ist echt. Es ist genau das, was man früher…«
»Das weiß ich doch alles«, sagte Mary. »Ich mußte mir seine Programmtexte schließlich jahrelang anhören. Er hat sie zuerst immer an mir ausprobiert.« Sie rauchte schnell und fühlte sich angespannt. »Glauben Sie, daß Bunny Verwendung für sie hätte?«
»Solange Ihr Gatte nicht mit Bunny spricht«, sagte Feld, »sitzen wir wischen sämtlichen Stühlen. Es hat also keinen Sinn…« Die Bürotür ging auf. Bunny Hentman trat ein. Es war das erste Mal, daß Mary den berühmten TV-Komiker in Person sah, und sie empfand Neugier. Wie unterschied er sich von seinem öffentlichen Image? Ihr fiel auf, daß er etwas kleiner und älter aussah als im Fernsehen. Er hatte eine ziemlich große, kahle Stelle auf dem Kopf und sah müde aus. Tatsächlich wirkte Bunny im wirklichen Leben wie ein besorgter zentraleuropäischer Schrotthändler. Er trug einen zerknitterten Anzug, und er war auch nicht besonders gut rasiert. Das schütter werdende Haar lag unordentlich auf seinem Kopf – und um den Eindruck zu vervollständigen, paffte er an einem kleinen Zigarrenstummel. Aber seine Augen! Er hatte einen aufgeweckten, warmen Blick. Mary stand auf und sah ihn an. Im Fernsehen war ihr die Kraft seines Blickes nicht aufgefallen. Er drückte mehr als pure Intelligenz aus; es war mehr eine Wahrnehmung des… Sie wußte es nicht. Und…
Bunny war ganz und gar von einer Aura umgeben – von einer Aura des Leidens. Sein Gesicht, sein ganzer Körper schien davon durchdrungen zu sein. Ja, dachte sie, das ist es, was seine Augen ausdrücken. Die Erinnerung an den Schmerz. An einen Schmerz, der ihn vor langer Zeit getroffen hat. Aber er hat ihn nie vergessen, und er wird ihn auch nicht vergessen. Bunny war entstanden und in diese Welt geworfen worden, um zu leiden. Kein Wunder, daß er ein großartiger Komiker war. Für Bunny war die Komödie ein Kampf, ein Sichwehren gegen die Realität eines im wahrsten Wortsinne körperlichen Schmerzes; sie war ein Reaktionsverbund von gewaltiger – und wirksamer – Größe.
»Bun«, sagte Jerry Feld, »dies ist Dr. Mary Rittersdorf; ihr Mann hat die CIA-Roboter-Programme geschrieben, die ich dir letzten Donnerstag gezeigt habe.«
Der Komiker streckte eine Hand aus. Mary schüttelte sie und sagte: »Mr. Hentman…«
»Bitte«, sagte der Komiker. »Das ist nur mein Künstlername. Mein echter Name – der, mit dem ich auf die Welt kam – ist Lionsblood Regal. Natürlich mußte ich ihn ändern. Wer setzt sich schon mit einem Namen wie Lionsblood Regal im Showgeschäft durch? Nennen Sie mich Lionsblood oder einfach Blood. Jerry nennt mich Li-Reg – es ist ein
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