Die Clans von Stratos
Ursulaborg herausgegeben wurde. »Das ist wirklich eine Zeitung!« meinte Kau.
Maia hörte nur mit halbem Ohr zu. Die Freiheit war zu frisch und neu, um sie mit politischen Auseinandersetzungen zu belasten. Jeder wußte, daß solche Dinge weit im voraus entschieden wurden, von den altehrwürdigen Müttern von Caria, die in goldenen Schlössern lebten. Statt dessen ließ sie den Blick über die Hügel schweifen, die die Bucht säumten. Ganz oben lag der orthodoxe Tempel der Stratos-Mutter, weiß schimmernd in der Nachmittagssonne. Maia erinnerte sich voller Dankbarkeit an diesen Zufluchtsort und nahm sich vor, die ehrwürdige Mutter zu besuchen. Zum einen aus Höflichkeit und Ehrerbietung, zum anderen… um nachzufragen, ob eine Botschaft für sie angekommen war.
Natürlich würde es keine geben. Trotz allem, was vorgefallen war, trotz allem, was Maia unternommen hatte, um ihren Schmerz zu überwinden, wußte sie, was passieren würde, wenn die Priesterin den Kopf schüttelte und mitfühlend die Hände ausbreitete. Sie würde noch einmal den ganzen Verlust spüren, die gähnende Leere, die sie zu verschlingen drohte.
Dieser Besuch konnte noch ein, zwei Tage warten.
Jetzt wollte sie sich erst einmal mit den anderen auf der Hotelveranda räkeln, ein Glas lauwarmes Bier trinken, die eine oder andere Geschichte austauschen und sich von simplen Freuden ablenken lassen.
Ich wünsche mir weiter nichts als eine warme Dusche und eine weiche Matratze, auf der ich tagelang schlafen kann.
Aus natürlicher Höflichkeit stimmten alle überein, daß Renna als erster baden durfte. Zwar protestierte er zunächst, aber dann lachte er und murmelte etwas Unverständliches von Wölfen, mit denen man heulen sollte. Zwei Frauen begleiteten ihn, um vor der Badtür zu wachen, damit er nicht gestört wurde.
Nachdem Renna gegangen war, schlugen mehrere Frauen auf den Tisch und verlangten lautstark mehr Bier. Außer Thalia kannte Maia nur wenige von ihnen. Kiels Freundin Kau vertrieb sich die Zeit damit, einen hölzernen Knüppel zu polieren, dessen Spitze alles andere als legal wirkte, und zuckte hin und wieder zusammen, wenn sie den Verband berührte, den Renna über ihrem rechten Ohr angebracht hatte: Eine von Balthas Freundinnen, eine Frau mit einem starken Akzent von den Südlichen Inseln, marschierte auf und ab, blickte hinüber zu den Bergen und dann wieder aufs Meer und brummelte ungeduldig vor sich hin.
Maia konnte gar nicht aufhören, sich zu kratzen. Allein der Gedanke an ein Bad machte sie nervös, und sie merkte plötzlich, wo es sie überall juckte.
Glücklicherweise brauchte Renna für einen Mann nicht sonderlich lange. Er erschien in einem etwas knappen Hotel-Bademantel, mit frisch geschnittenem Bart, rosiger Haut und ordentlich gekämmten Haaren, die sich beim Trocknen an der Luft lockten. Er verbeugte sich unter den anerkennenden Pfiffen der Südländerinnen und nahm von Kau einen Krug mit dem recht wäßrigen Bier der Gegend entgegen. »Erstaunlich, was ein Bad bei einem Mann ausrichten kann«, bemerkte er. Er fuhr sich mit einer Hand durchs feuchte Haar und nahm einen großen Schluck Bier. »Also, wer ist die nächste? Maia?«
Sie wollte protestieren. Schließlich war sie die Rangletzte. Aber die anderen stimmten zu. »Immerhin hast du genauso lange darauf gewartet wie er!« meinte Thalia freundlich. »Dieses Perkie-Gefängnis muß schrecklich gewesen sein.«
»Seid ihr sicher…?«
»Natürlich. Mach dir keine Sorgen wegen des warmen Wassers, Süße. Bald können wir uns einen ganzen See voll leisten. Dusch dich gut ab und bleib in der Wanne sitzen, solange du willst.«
»Ja, wir sind sowieso beschäftigt«, fügte Kau hinzu und setzte sich neben Renna.
»Damit, daß ihr euch betrinkt wie die Dickschweine, meinst du wohl«, scherzte Maia und genoß es, als alle gutmütig lachten. Renna zwinkerte ihr zu. »Geh schon, Maia. Ich sorge dafür, daß sich alle ordentlich benehmen.«
Das rief noch mehr Gejohle hervor. Mit einem dankbaren Lächeln gab Maia nach. Ehe sie dem lockenden Duft von Dampf und Seife entgegeneilte, schnallte sie noch ihren kleinen Sextanten vom Handgelenk und gab ihn Renna. »Vielleicht kannst du den Sonnenfilter reparieren, er wackelt. Darm hast du was zu tun mit deinen Händen.« Thalia prustete in ihr Bier, und ein paar andere lachten laut. »Das dürfte für einen großen Sternreisenden sicher nicht schwierig sein«, schloß Maia.
»Machst du Witze?« protestierte er. »Ich finde ja ohne
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