Die Clans von Stratos
ihr beriet. Sie schüttelte entschieden den Kopf. Der Kapitän akzeptierte ihre Antwort mit einem passiven Achselzucken und hob das Megaphon erneut.
»Meine Leute kämpfen um das, was ihnen gehört. Die Fracht kann nicht aufgeteilt werden!«
Maia schüttelte den Kopf. Das glaube ich auch. Sie entdeckte Renna in der Nähe des Cockpits, wie er staunend die Szene verfolgte. Begreift er, daß über ihn verhandelt wird? Sie umfaßte fest ihre Waffe, froh, daß ihr Freund aus dem Weltraum bei der bevorstehenden Auseinandersetzung in Sicherheit war, denn die Schanze galt als neutrales Territorium.
Die Draufgänger kam noch näher. Sie war kleiner als die Manitou, was in Kombination mit ihren starken Maschinen eine Verteidigung durch Manövrieren von vorneherein ausschloß. Keiner der beiden Kapitäne würde einen Zusammenstoß riskieren, bei dem sein geliebtes Schiff beschädigt werden könnte. Nicht ohne eine Versicherung, die sich weder die Freibeuter noch die Radis leisten konnten.
An der Steuerbordreling des näherkommenden Schiffes hatte sich eine große Gruppe von Frauen mit Hellebarden, Knüppeln und zusammengerollten Seilen versammelt. Andere kletterten auf Masten und schwankende Rundhölzer. Und alle trugen die berüchtigten roten Kopftücher. Maia lief ein Schauer über den Rücken.
»Verstanden, Sir«, antwortete einer der bärtigen Männer am Ruder der Draufgänger. »Akzeptiert ihr dann die Entscheidung durch einen Champion?«
Wieder beriet sich der Kapitän mit Kiel, die erneut den Kopf schüttelte. Die meisten Freibeuter setzten gelegentlich Champions, also professionelle Kämpfer ein. Die Radis wußten, daß sie bei einem Handgemenge bessere Chancen hatten, auch wenn nicht zu vermeiden war, daß es Opfer geben würde. Hier ging es nicht um einen Laderaum voller Baumwolle, Kohle oder Textilien. Ihre Fracht war es wert, daß man um sie kämpfte.
Kapitän Poulandres gab Kiels Weigerung weiter.
»Nun gut«, erwiderte der Chef des anderen Schiffs. »Dann sage ich euch im Auftrag meiner Passagiere: Macht euch bereit, wir entern!«
Weitere Worte waren nicht notwendig. Während das kleinere Schiff näher heranfuhr, schüttelte Kiel dem Kapitän die Hand, sprang dann aufs Ladedeck, packte ihre Hellebarde und schrie ihren Gefährtinnen etwas zu. Sofort orderte Kapitän Poulandres alle männlichen Besatzungsmitglieder nach achtern. Die Seeleute folgten eilig dem Befehl und riefen ihren Kolleginnen Mut zu.
Maia blickte über das untere Deck mit den nervös wartenden Varfrauen und entdeckte dahinter Renna im Gespräch mit dem Schiffsarzt. Der alte Mann machte ein Gesicht, als müßte er einem Kind oder einem Idioten etwas absolut Offensichtliches erklären, gestikulierte, deutete auf die Männer beider Schiffe und schüttelte heftig den Kopf. Außer den weiblichen Besatzungsmitgliedern kämpfen nur die Passagiere, deutete Maia im stillen die Erläuterungen des Arztes.
Laut den Schriften, die bei den Tempelgottesdiensten verlesen wurden, hatte Lysos es zuerst gesagt. »Wer kann dafür sorgen, daß es keinen Kampf mehr geben wird? Die Törichten, die dies versuchen, wandeln alltägliche Habgier und Aggression in hinterhältigen Mord. Wir jedoch ergreifen Maßnahmen, um die Konflikte zu minimieren, aber gleichzeitig müssen wir zusehen, daß die Auseinandersetzungen, die sich nicht vermeiden lassen, einigermaßen ausgeglichen und unter der Kontrolle des Gesetzes stattfinden.«
Renna begegnete Maias Blick. Er hatte die Fäuste geballt und schüttelte den Kopf. Maia antwortete mit einem kurzen Lächeln, mit dem sie seine Botschaft zur Kenntnis nahm, sich jedoch die nächsten Zeilen in Erinnerung rief, die in der Kapelle der Lamatia-Feste so oft gesprochen wurden.
»Vor allem aber entfesselt nicht leichtfertig den Zorn der Männer. Denn er ist wild und schwer in Schach zu halten.«
Als Maia nun über den schmaler werdenden Streifen Wasser zwischen den beiden Schiffen blickte, sah sie, daß auch auf der anderen Seite Männer standen, die mit dunklen, grüblerischen Augen von ihrer Sicherheitszone das Geschehen beobachteten.
Vielleicht war es wirklich besser so.
Renna kreuzte die Arme und zupfte sich mit der traditionellen stratoinischen Gebärde an beiden Ohrläppchen. Maia mußte lächeln. Hoffentlich hatte ihr Freund daran gedacht, etwas in seine empfindlichen Ohren zu stopfen, denn es würde geräuschvoll zugehen. Sie nickte ihm kurz zu und wandte sich dann ab, um dem Feind die Stirn zu bieten.
»Eia!«
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