Die Clans von Stratos
etwas besser gewesen, doch ausgerechnet heute standen alle drei größeren Monde am Himmel, um ihr schimmerndes Licht auf den Untergang der beiden jungen Menschen zu werfen. Es war ein schöner, klarer Abend. Bald schon würden Maias geliebte Sterne aufgehen. Wenn sie nur lange genug überlebte, um sich von ihnen zu verabschieden!
Immer wieder füllte Maia ihren Eimer und schüttete das Wasser meerwärts aus, nur um nicht zu den glitzernden ›Drachenzähnen‹ hinübersehen zu müssen, die so nah waren wie ein sich kräuselnder, verdrehter Vorhang. Die Ritzen und Rillen schienen einen weichen Faltenwurf vorzuspiegeln, obwohl das kleine Schiff jederzeit an dem harten Kristallgestein zerschellt wäre.
Maia konnte den Anblick nicht mehr ertragen. So schüttete sie Eimer um Eimer in entgegengesetzter Richtung über den Bootsrand, was teilweise ihre Rettung war, als die Freibeuter eine neue Taktik ausprobierten.
Plötzlich gab es hinter ihnen eine Explosion, das Kleinboot tanzte auf den Druckwellen, und Maia wurde zu Boden geworfen. Zu ihrer Überraschung blieb sie bei Bewußtsein, während weitere Erschütterungen über sie hinwegzogen und in einem leisen Vibrieren verklangen, das sie in den Schiffsplanken spürte. Ein stechender Schmerz im Nacken ließ sie mit einer Reflexbewegung dorthin greifen, und sie zog einen blutigen Gesteinssplitter aus dem Fleisch. Dunkle Kreise tanzten vor ihren Augen, während sie auf das dolchartige Stück natürlichen Schrapnells starrte. Die Welt schwankte um sie her. Sie wandte sich um. Auch Brod hatte überlebt, allerdings rann Blut über seine linke Gesichtshälfte. Lysos sei Dank, daß die Felssplitter so klein gewesen waren. Dieses Mal.
»Machen wir, daß wir noch weiter von der Küste wegkommen!« rief Maia. Doch sie hörte ihre eigene Stimme nicht, nur ein schreckliches Glockengebimmel. Brod schien sie dennoch zu verstehen. Mit vom Schock weit aufgerissenen Augen nickte er und drehte das Steuer. Sie schafften es ein Stück weit hinaus, ehe die nächste Granate einschlug und noch mehr Gestein von der Felsklippe absplitterte. Diesmal wurden sie glücklicherweise nicht getroffen, aber das Manöver bedeutete auch, daß sie näher an die Draufgänger und ihre Geschütze heranfahren mußten, so nah, daß die Freibeuter aus kürzester Distanz auf sie zielen konnten. Maia blickte fast direkt in den Lauf empor und sah, wie die Crew die Kanone lud. Dann spürte sie, wie das Geschoß links an ihnen vorbeipfiff, und unmittelbar darauf prallte ein weiterer Schuß von der Felsklippe ab und schleuderte die beiden jungen Leute um ein Haar aus ihrem Kleinboot. Als sie wieder aufblickte, sah Maia, daß ihr Segel einen Riß bekommen hatte. Bald würden nur noch Fetzen herabhängen.
In diesem Moment machte die Küste eine Biegung in die andere Richtung. Eine Öffnung tauchte auf. Mit zitternden Händen steuerte Brod direkt in die Sackgasse hinein. Eine solche Aktion wäre in jeder Situation unvorsichtig gewesen, aber Maia stimmte seiner Entscheidung von ganzem Herzen zu. Wenigstens bekommen die Mistweiber so nicht die Genugtuung, uns eigenhändig umzubringen und sterben zu sehen.
Eine Seite der Einbuchtung explodierte, als sie gerade durchfuhren, Risse erschienen in den Klippen, und der Druck trieb das Kleinboot zwischen den Felsen vorwärts. Die nächste Granate schlug mit frustrierter Wut in den Stein, und die Risse verzehnfachten sich. Ein riesiger Felsbrocken, halb so lang wie die Draufgänger, löste sich. Mit fast anmutiger Zielsicherheit rollte er auf Brod und Maia zu…
Direkt hinter dem kleinen Boot krachte der Brocken ins Wasser, und eine Flutwelle trug die Nußschale auf ein tiefes schwarzes Loch zu.
Maia wußte, daß sie Mut besaß. Aber längst nicht genug, um mit offenen Augen mit anzusehen, wie ihr Boot auf den uralten Giganten zusauste, auf den Jellicoe Beacon. Wenn es nur schnell vorbei ist, dachte sie noch. Dann wurde es dunkel um sie.
Liebe Iolanthe,
wie Du an diesem Brief siehst, bin ich am Leben… oder war jedenfalls am Leben, als ich ihn geschrieben habe… und bei guter Gesundheit, abgesehen von den kleinen Beeinträchtigungen, die unvermeidlich sind, wenn man seit sieben Tagen gefesselt und geknebelt ist.
Nun, wie es aussieht, bin ich auf den ältesten Trick der Menschheit hereingefallen. Die Masche mit dem einsamen Reisenden. Ich bin durchaus in guter Gesellschaft. Unzählige, weit talentiertere Diplomaten sind ebenfalls ihren menschlichen Bedürfnissen schon zum
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