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Die Clans von Stratos

Die Clans von Stratos

Titel: Die Clans von Stratos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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trat. Maia breitete die Arme vor der metallenen Wand aus. »Ich hab so etwas schon einmal gesehen«, erklärte sie. »Es ist ein Rätsel.«
    »Ein Rätsel?«
    »Hmm. Eines, das offenbar so schwierig ist, daß viele schon versucht haben zu mogeln. Aber wie es aussieht, sind sie gescheitert.«
    »Ein Rätsel«, wiederholte Brod grüblerisch.
    »Ich denke, man bekommt eine große Belohnung, wenn man es löst.«
    »Ach ja?« Brods Augen leuchteten auf. »Was für eine Belohnung stellst du dir vor?«
    Maia trat ein paar Schritte zurück und legte den Kopf schief, um das Portal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. »Ich weiß nicht, worauf die anderen es abgesehen hatten«, meinte sie mit leiser Stimme. »Aber unser Ziel ist ganz simpel. Wir müssen das Rätsel lösen… oder sterben.«
     
    Vor langer Zeit hatte Maia vor einer anderen Rätselwand gestanden. Nicht aus einem seltsamen Metall, sondern aus gewöhnlichem Stein und Holz und Eisen, doch das Rätsel war schwer genug gewesen, um zwei kluge, neugierige und wild entschlossene Vierjährige matt zu setzen. Was verbargen die Lamai-Mütter hinter der mit Sternen und umeinander gewundenen Schlangen verzierten Kellerwand? Im Gegensatz zu dem Rätsel, das Maia nun vor sich hatte, war es kein massives Kunstwerk gewesen, aber das Prinzip war eindeutig das gleiche. Ein Kombinationsschloß. In dem die Anzahl möglicher Anordnungen weit über die Chance eines zufälligen Erratens hinausging. Dessen korrekte Antwort jedoch so einprägsam sein mußte, daß es unvergeßlich war, intuitiv einleuchtend für die Eingeweihten und ewig dunkel für Außenseiter.
    Gemeinsamer Kontext. Das war der Schlüssel. Auf das Gedächtnis konnte man sich erwiesenermaßen nicht über Generationen hinweg verlassen. Aber auf eines konnte man immer zählen. Wenn man einen Clan gründete, dachten die Ur-Ur-Ur-Enkelinnen immer noch fast genauso wie man selbst, dank einer ähnlichen Erziehung und fast-identischen Gehirnen. Was vergessen war, konnte durch das Nachvollziehen der ursprünglichen Denkprozesse zurückgewonnen werden.
    Diese Erkenntnis hatte damals den Weg geebnet, nachdem Maias erste Versuche im Weinkeller von Lamatia fehlgeschlagen waren, während Leies Bemühungen mit einem kleinen hydraulischen Wagenheber fast den Mechanismus zerstört hätten. Sogar Leie war der Meinung gewesen, daß die größte Neugier es nicht wert war, die Strafe auf sich zu nehmen, die eine solche Tat unweigerlich nach sich gezogen hätte. Deshalb hatte Maia ganz neu angefangen und diesmal versucht zu denken wie eine Lamai. Das war leider leichter gesagt als getan.
    Sie war inmitten von Lamai-Müttern, -Tanten und -Halbschwestern aufgewachsen, sie kannte die Verhaltensmuster, die sich in jeder Lebensphase offenbarten. Beispielsweise der vorsichtige Enthusiasmus der Dreijährigen, der sich rasch hinter einer zynischen Maske versteckte, sobald eins der flachshaarigen Mädchen vier wurde. Ein romantischer Ausbruch in der Pubertät, gefolgt von einem Rückzug und vernichtender Verachtung gegenüber allem Nicht-Lamaianischen – eine Geringschätzung, die um so stärker wurde, je achtbarer der betreffende Eindringling war. Und im späteren mittleren Alter dann schließlich eine sanftere, weichere Phase, eine Entspannung bei der Altersgruppe, die das Sagen hatte, gerade richtig, um Allianzen zu schließen und erfolgreich mit der Welt zurechtzukommen. Die erste junge Lamai-Var, die Gründerin, mußte Glück gehabt haben oder sehr klug gewesen sein, um ganz allein dieses Feingefühl zu entwickeln. Von nun an wurde alles leichter, denn jede Generation verfeinerte die Kunst, die kontinuierliche Einheit namens Lamatia zu sein.
    Während sie sich das Problem durch den Kopf gehen ließ, fiel Maia auf, daß sie gar nicht wußte, wie eine individuelle Lamai in ihrem Innern fühlte. Sie kniff das Auge zusammen und stellte sich eine Lamai-Schwester vor, die in den Spiegel blickte und Worte wie Integrität… Ehre… Würde… benutzte. Sie sah sich nicht als gemein, launisch oder gehässig. Statt dessen sah sie andere als unzuverlässig und gefährlich.
    Furcht. Das war der Schlüssel! Nach diesem Geistesblitz, nachdem sie begriffen hatte, was ihren Mutterclan vorantrieb, war Maia eine Weile sprachlos.
    Aber es war mehr als Furcht. Es war eine Art Grauen, gegen das kein Reichtum und keine Sicherheit der Welt ankam, weil es so tief in der Persönlichkeitsmatrix verwurzelt war. Ursprünglich eine genetische Zufallsausstattung,

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