Die Clans von Stratos
war. Ein intellektuelles Spiel war eine Sache. Sich durch Wände zu bewegen, etwas ganz anderes. Selbst die Tür aus rotem Metall, die Maia und Brod in der Höhle vorgefunden hatten, war ein Rätsel mit einem ganz bestimmten Zweck gewesen, ein Kombinationsschloß, mit dem ein Tor geöffnet werden konnte. Doch in diesem Raum gab es nichts, was einem Tor auch nur ansatzweise ähnelte. Keinen Weg nach draußen außer dem, durch den sie hereingekommen waren. Nichts.
»Ach!« stieß Maia hervor und ballte die Fäuste. Ihre linke Seite und ihr Bein taten höllisch weh, und jetzt bekam sie auch noch Kopfschmerzen. Trotzdem mußte sie irgendwie die Gedankenschritte eines technisch überlegenen Fremdlings nachvollziehen, und das auch noch ohne die Hilfsmittel, die ihm zur Verfügung gestanden hatten.
Ächzend ließ sie sich auf einer der Bänke in der ersten Reihe nieder und legte den Kopf in die Hände.
Nicht einmal das Gewehrfeuer, das kurz darauf die Wände über ihr erschütterte und den uralten Staub in Schwaden auf sie herabrieseln ließ, konnte sie dazu bewegen, ihre müden Augen zu heben.
»Ich glaube, Poulandres hat verstanden, wie man das Ding benutzt. Momentan schießt er noch absichtlich daneben, eine Kugel nach der anderen, und bisher hält das unsere Gegner auch noch in Schach. Ich denke, falls es zu einem richtigen Angriff kommt, wird er schon tun, was notwendig ist.«
Leie ließ sich ungefähr einen halben Meter neben Maia nieder. Ihre Stimme klang zögernd, als wäre sie nicht sicher, ob sie willkommen war. Zweimal setzte sie an, etwas zu sagen, und Maia war sicher, daß es um das gehen würde, was zwischen ihnen vorgefallen war – um ihre lange Trennung, darum, daß Leie es bereute, wie sie sich benommen hatte. Zwar kamen keine Worte aus ihrem Mund, aber allein die offensichtliche Anstrengung reichte, um die Spannung zu lindern. Tief in ihrem Herzen wußte Maia, daß sie keine ausführlichere Entschuldigung von ihrer Schwester bekommen würde. Obwohl sie wirklich eine hätte verlangen können.
»Also«, begann Leie mit gepreßter Stimme. »Was brauchen wir, um rauszukriegen, was hier passiert ist?«
Maia stieß geräuschvoll die Luft aus; sie wußte nicht, wo sie anfangen sollte.
Schließlich begann sie, den Codeschlüssel zu erklären, den Renna auf die Wand gemalt hatte – daß jede Punktegruppe wahrscheinlich eine Anordnung lebendiger Felder auf dem Spielbrett darstellte. Oder noch wahrscheinlicher eine Variation des Spiels, die sich in den ökologischen Einzelheiten unterschied. Maia konnte sich vorstellen, daß jede Konfiguration an der Wand eigenständig war, wenn man das richtige Regelsystem anwendete, obgleich sie nicht hätte erklären können, wie sie darauf kam.
Während sie Leie das alles erzählte, wurden sie noch zweimal von lauten Schüssen unterbrochen – einzelne Warnschüsse, die abgefeuert wurden, um die Piratinnen in Schach zu halten. Da keine Schreie zu hören waren, konnten die beiden Schwestern davon ausgehen, daß es keine richtige Attacke war, und blieben sitzen. Leie lauschte so hingerissen, daß Maia den Mut fand, rasch von ihren Erlebnissen zu berichten, wobei sie die Gewalt, die Mühsal und die Gefahren der letzten Monate nur streifte, dafür aber ausführlich ihr neu entdecktes Talent erwähnte, das in eine höchst seltsame intellektuell-künstlerische Richtung ging.
»Lysos!« flüsterte Leie, als sie das Wichtigste gehört hatte. »Und ich habe gedacht, ich hätte etwas erlebt! Nachdem ich erfahren hatte, daß du in Grange Head an Land gegangen bist und eine sichere Arbeit in Long Valley hattest, beschloß ich, noch eine Weile auf See zu bleiben, mit…« Sie hielt kopfschüttelnd inne. »Nein, das kann warten. Mach du lieber weiter. Kann uns dieses Spiel des Lebens dabei helfen herauszufinden, wie Renna aus dem Raum ohne Ausgang entwischt ist?«
Maia zuckte die Achseln. »Ich hab dir doch gesagt, daß es nicht geht! Ja, das Spiel kann als Datenträger dienen, wie eine Sprache, die in eine andere Symbolform übertragen wird. Renna muß sich etwas aus den Sprüchen an der Wand zusammengereimt haben… vielleicht im Zusammenhang mit etwas, das er in der Großen Bibliothek von Caria erfahren hat.
Aber selbst wenn du die Information hast und weißt, wie sie zu entschlüsseln ist, mußt du immer noch handeln! Die Daten in der Realität anwenden. Dafür sorgen, daß etwas passiert.«
»Beispielsweise ein Gefängnisausbruch.«
»Genau. Beispielsweise ein
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