Die Clans von Stratos
erinnern, wer gewonnen hatte, geschweige denn, wer Punkte für das Parieren eingeheimst hatte. Ihr aufgewühltes Inneres wollte sich am liebsten irgendwo verstecken, doch ihr Verstand sagte: Bring es hinter dich. Wenn Naroin auf weibliche Kampftugenden Wert legte, war Maia ein guter Kontrast zu der Chuchyin und hatte eine Überraschung für alle die bereit, die sie ›Fräuleinchen‹ nannten.
Also unterdrückte sie das nervöse Zittern, trat vor, nahm schweigend eine gepolsterte Übungshellebarde aus dem Gestell und stellte sich in die Arena. Ohne auf die glotzenden Klon- und Varfrauen zu achten, scharrte sie dreimal im Staub, wie das Ritual dies vorschrieb, und verbeugte sich. Naroin, die ihre eigene Übungswaffe in die Hand genommen hatte, strahlte wohlwollend angesichts dieser Höflichkeit. Beide Frauen streckten ihre Hellebarden mit dem Hakenende zum ersten, förmlichen Schlag vor…
Jemand spritzte ihr Wasser ins Gesicht. Maia hustete und spuckte. Das Wasser brannte, es war nicht nur salzig, sondern auch noch voller Kohlenstaub. Ganz langsam verwandelte sich ein verschwommener Nebel in ein Gesicht… das eines alten Mannes… des Mannes, der ihr die Haare gezaust hatte. Daran erinnerte sie sich dunkel.
»Na, komm schon. Alles in Ordnung? Nichts gebrochen, oder?«
Er sprach mit einem dicken Männerakzent, aber Maia verstand einigermaßen, was er meinte. »Ich… ich glaube nicht…« Doch als sie sich aufzurappeln versuchte, schoß von einer Stelle direkt unterhalb des Knies ein scharfer Schmerz durch ihr linkes Bein. Ein blutiger Schnitt zog sich halbwegs um die Wade. Maia stöhnte.
»Hmm. Sehn wir mal. Ist gar nicht so schlimm. Ich schmier ein bißchen Salbe drauf, dann heilt es schneller.«
Maia spürte, wie ein Wimmern in ihre Kehle stieg, aber sie schluckte es tapfer hinunter, während der Mann die Salbe aus einer Tonschale auftrug. In Wellen zog sich der Schmerz zurück, wie das Meer, wenn die Ebbe kommt. Ihr rasender Puls beruhigte sich. Als sie sich ihr Bein das nächste Mal ansah, hatte es aufgehört zu bluten.
»Das ist… das ist gut«, seufzte sie.
»Unsere Gilde ist vielleicht klein und ärmlich, aber in unserem Reservat haben wir ein paar ganz schön fixe Jungs.«
»Kann ich mir vorstellen.« In den Jahreszeiten, in denen die Männer nicht zur See fuhren, werkelten manche in Labors herum, entweder als Gäste in einer Clanfeste oder in ihren eigenen primitiven Klausen. Nur wenige der bärtigen Kesselflicker hatten eine richtige Ausbildung, deshalb blieben die meisten ihrer Erfindungen lediglich schnell überholte Attraktionen. Nur ein Bruchteil davon zog die Aufmerksamkeit der Savanten von Caria auf sich und wurde irgendwann entweder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder aber verboten. Doch diese Salbe – Maia nahm sich fest vor, eine Probe davon mitzunehmen und herauszufinden, ob jemand die Verkaufsrechte für sie besaß.
Sie stützte sich auf die Ellbogen und blickte sich um. Draußen auf dem Lukendeckel kämpften zwei Paarungen Zweiter-Klasse-Passagiere unter Naroins Anleitung. Mehrere andere lagen genauso auf dem Boden wie Maia und pflegten ihre Wunden und blauen Flecken. Unterdessen hatten sich zwei weibliche Besatzungsmitglieder auf der vorderen Motorhaube niedergelassen: Eine spielte Flöte, die andere sang dazu mit einer leisen, traurigen Altstimme.
Der alte Mann schnalzte besorgt mit der Zunge. »Dieses Jahr treiben sie’s wirklich zu weit. Eine Dummheit, Frauen mitzunehmen, die viel zu fertig sind zum Arbeiten. Das ist nicht richtig, finde ich.«
»Wahrscheinlich«, murmelte Maia unverbindlich. Mühsam setzte sie sich auf, hielt sich an der Reling fest, und so gelang es ihr, sich auf ein Bein zu stellen. Ihr war noch immer schwindlig, aber sie fühlte sich seltsam erleichtert. Echter Schmerz war selten so schlimm wie befürchteter.
Komisch – hatte Mutter Claire das nicht einmal über das Kinderkriegen gesagt? Maia schauderte.
Eine der trainierenden Vars stieß einen Schrei aus und landete mit einem dumpfen Schlag auf dem Lukendeckel. Inzwischen hatten die beiden musizierenden Frauen eine alte, klagende Melodie angestimmt, die Maia kannte – über eine Wandersfrau, die sich nach Hause sehnt, nach ihrer Liebe, nach all den Heimfreuden, die manchen so ohne weiteres zufallen und anderen nicht.
Maia lehnte sich ans Schandeck und blickte hinaus über das Wasser. Ein Stückchen hinter ihnen pflügte die Zeus mit geblähten Segeln durch die kabbelige See. Bis jetzt
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