Die Clans von Stratos
bloß mit den Männern? fragte sie sich.
Denn reden taten sie, im singenden Dialekt des Meeres. Maia sah, daß die zierliche dunkelhaarige Frau, die so freundlich zu ihr gewesen war, zu diesen professionellen Matrosinnen gehörte. In ihrer linken behandschuhten Hand hielt sie eine Fanghellebarde, ein Übungsmodell mit einem gepolsterten Y-förmigen Gabelgelenk am einen und einem gepolsterten Haken am anderen Ende. Sie scherzte mit zwei ihrer männlichen Kameraden. Anscheinend machte sie ihnen irgendeinen Vorschlag, den sie grinsend annahmen.
Ein Matrose öffnete einen Spind ganz in der Nähe, und ein riesiger Stapel dünner Platten kam zum Vorschein, auf einer Seite weiß, auf der anderen schwarz. Er nahm eins der Vierecke, drehte es um und kontrollierte die acht Paddel an seinen Rändern und Ecken. Maia erkannte eine altmodische aufziehbare Spielfigur, wie sie Matrosen häufig für den als ›Spiel des Lebens‹ bekannten, unter ihnen sehr beliebten Zeitvertreib benutzten. Schon als Kind hatte sie unzählige Wettkämpfe in den Dock-Arenen beobachtet. Die Paddel ›erspürten‹ im Lauf des Spiels den Zustand der benachbarten Plättchen, so daß jede Figur ›wußte‹, ob es zu einem bestimmten Zeitpunkt seine weiße oder seine schwarze Seite zeigen mußte. Ein Viereck allein war in diesem Spiel nutzlos – was also hatte der Mann vor? Warum zog er mit seinem Schlüssel nur ein einziges Plättchen auf?
Wenn es normal programmiert war, bewegte das einfache Gerät sanft seine schräggestellten Lamellen, und zwar immer auf der weißen Seite – außer unter ganz bestimmten Umständen: Drei Fühler mußten innerhalb einer bestimmten Zeit einen Nachbarn zu spüren bekommen. Zwei, vier oder sogar acht Berührungen richteten nichts aus. Genau drei Fühler mußten aktiviert sein, wenn der viereckige Spielstein still liegenbleiben sollte.
Der stämmige Matrose trat nun auf die zierliche Frau zu und legte das Spielzeug vor sie aufs Deck, mit der schwarzen Seite nach oben. Den Fuß leicht auf die Oberfläche gestützt, blockierte er es, bis die Frau ihre Hellebarde in beiden Händen hielt und ihm mit einem kurzen Nicken Spielbereitschaft signalisierte.
Jetzt trat der Matrose zurück, und das Ding begann zu klicken. Bei acht holte die Frau plötzlich aus und klopfte rasch hintereinander dreimal auf verschiedene Stellen des Spielsteins. Einen Sekundenbruchteil später lag er still. Dann begann der Countdown mit dem achtmaligen Klicken von vorn, nur diesmal schneller. Die Frau wiederholte ihr Kunststück, doch jetzt wählte sie drei andere Fühler. Es sah so leicht aus, als würde sie Kitzelkäfer totschlagen. Aber das Spielzeug war so programmiert, daß es sein Tempo steigerte. Schon bald sauste die Spitze ihrer Hellebarde blitzschnell hernieder, und das Klicken war eine Stakkato-Ratsche. Schweiß stand auf der Stirn der zierlichen Frau, während der hölzerne Stock immer schneller tanzte…
Plötzlich blitzten die Kläppchen mit einem lauten Klick! auf und die Oberfläche war weiß. »Ach!« schrie die Frau. »Achtundzwanzig!« rief ein Matrose, und die Frau lachte verdrossen, während ihre Kameraden sie neckten, weil sie so weit unter ihrem Rekord abgeschnitten hatte.
»Zuviel Schnaps und faul an Land rumliegen!« schimpften sie.
»Das mußt ausgerechnet du sagen!« gab sie zurück, »hast nichts als mit den Bizzie-Huren rumpoussiert!«
Einer der Männer zog das Spielgerät für die nächste Runde auf, aber genau in diesem Moment kam der Zweite Maat vom Quarterdeck, weil er etwas mit der dunkelhaarigen Frau zu besprechen hatte. Sie unterhielten sich ein paar Minuten lang, dann verschwand der Offizier wieder. Die Matrosin fischte eine Pfeife aus ihrem Mieder und blies so schrill darauf, daß die gesamte Besatzung sofort die Ohren spitzte.
»Passagiere zweiter Klasse nach achtern«, rief sie und bedeutete Maia und den anderen Vars, sich steuerbords am Schandeck in einer Reihe aufzustellen.
»Mein Name ist Naroin«, erklärte die zierliche Matrosin der versammelten Besatzung. »Mein Rang lautet Bootsfrau, so, wie Matrose Jim und Matrose Rett Bootsmänner sind, also vergeßt es nicht. Außerdem bin ich noch Schiffsprofos auf diesem Kahn.«
Maia fiel es nicht schwer, das zu glauben. An den Beinen der Frau waren Narben zahlreicher Kämpfe zu sehen, die Nase mußte mindestens zweimal gebrochen sein, und ihre Muskeln wirkten zwar nicht männlich, aber höchst beeindruckend.
»Bestimmt habt ihr gestern abend gesehen, daß
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