Die Clans von Stratos
sich hatte, war ein einstöckiger Bau aus Lehmziegeln, der sich über einen Viertelhektar erstreckte. Nur wenige Fenster gingen auf den Vorderhof, auf dem Schrott und Gerumpel aller Art herumlagen.
Die Fenster waren dunkel. Ohne das leise Zischen der Hochöfen – und den Gestank – hätte Maia geglaubt, die Siedlung sei verlassen.
Da fiel ihr ein anderes Geräusch auf. Ein ganz leises. Maia drehte sich um, schlich vorsichtig über den Schrottplatz, bis sie an eine Ecke kam und dahinter ein wildes Durcheinander niedriger Bauwerke erblickte, noch baufälliger als das Hauptgebäude. Jedes hatte einen kleinen Schornstein, aus dem ein dünner Rauchschwaden quoll. Vermutlich Quartiere für die Arbeiterinnen.
Eine der Hütten stand etwas abseits und schien anders zu sein als die übrigen. Schwaches Licht, das aus einem schmalen Fenster mit halb zugezogenen Vorhängen fiel, erhellte einen gepflegten Kiesweg… und ein kleines ordentliches Blumenbeet. Als Maia näherkam, hörte sie leise Musik. Und ein äußerst appetitlicher Essensgeruch stieg ihr in die Nase.
Als Maia die Tür erreichte, schlotterte sie so sehr vor Kälte, daß sie ohne jede Hemmung einfach anklopfte.
Seit sie vor nur einem Monat die Arbeit in der Gießerei angenommen hatten, hatten Thalia und Kiel die kleine Hütte am Rand der Arbeitersiedlung buchstäblich auf den Kopf gestellt. »Ihr werdet solche Albernheiten bald wieder sein lassen«, hatten ihre Kolleginnen prophezeit. Aber die beiden jungen Frauen hatten getreulich jeden Tag eine Stunde geopfert, selbst nach den langen, zermürbenden Schichten an den Hochöfen, um ihren Garten zu pflegen und ihr heruntergekommenes Haus instand zu setzen.
In jener Nacht, als Maia an ihre Tür klopfte, öffnete die große, breitschultrige Thalia die Tür. Besorgt zog sie Maia ins Haus, wickelte sie in eine Decke und setzte sie mit einer dampfenden Tasse Tee an das glühende Torffeuer. Kiel mit ihrem fast schwarzen Gesicht und den verblüffend hellen Augen war am nächsten Morgen zu den Lerner-Müttern gegangen und nach kurzer Zeit mit der Nachricht zurückgekehrt, daß Maia bleiben durfte.
Selbstverständlich würde sie arbeiten müssen. »Du fängst auf dem Schrottplatz an«, verkündete Kiel am Morgen nach Maias Flucht aus der Jopland-Feste. »Dann lernst du eine Woche lang, wie du mit uns anderen schaufelst und schöpfst. Calma Lerner sagt, wenn du danach noch hier bist, unterhält sie sich mit dir über eine Lehrstelle, bei der du außerhalb der Arbeitszeit im Labor noch was über Legierungen lernen kannst.«
Die schwarze Frau lachte grimmig. »Eine Lehrstelle. Guter Witz!«
Für einen Schmiedeclan zu arbeiten, war nicht der Lebensweg, den Maia sich ausgesucht hätte. Aber da ihr keine brillante Strategie einfallen wollte, wie sie nach Grange Head kommen konnte, ohne dabei Tizbe und ihrer Gang oder den Joplands über den Weg zu laufen, mußte sie sich damit abfinden. Wenigstens war es ehrbare Arbeit.
»Was ist an einer Lehrstelle auszusetzen?« fragte sie die junge schwarze Frau. »Ich dachte…«
»Du dachtest, es wäre ein Schritt nach oben, stimmt’s?« Kiel machte eine wegwerfende Geste mit ihrer narbigen, schwieligen Hand. »Vielleicht in ’ner schicken Stadt, wo du ’ne Klonjuristin anheuern kannst, die einen Vertrag für dich aufsetzt. Aber hier? Wahrscheinlich weißt du nicht, was hier ›außerhalb der Arbeitszeit‹ bedeutet, oder?«
Maia schüttelte den Kopf.
»Es bedeutet, daß du für die Lehrzeit keinen Lohn bekommst, keine Kost-und-Logis-Punkte. Genaugenommen bezahlst du für das Privileg, in ihrem Labor zusätzlich arbeiten zu dürfen. Sie verlangen Geld von dir, weil sie dir was beibringen!«
»Schneller kannst du dir die Schulden gar nicht aufladen«, stimmte Thalia ihr zu. »Höchstens vielleicht beim Glücksspiel.«
Über Schulden redeten Thalia und Kiel beinahe ständig, als hätten sie Angst, schlechte Angewohnheiten anzunehmen, wenn sie das Thema vernachlässigten. Nur wenn man permanent auf der Hut und sparsam war, konnte man sich schützen. Jeden Abend jäteten die beiden jungen Frauen den Garten, fegten den Fußboden, und dann zählten sie ihre Kreditstäbe.
»Man kann tatsächlich was beiseitelegen, auch wenn man Essen und Unterkunft abzieht«, sagte Thalia am zweiten Abend, während sie Maia half, die Stellen abzutupfen, wo die heiße Kohle ihre Haut versengt hatte. Die schwere Lederschürze und die Schutzbrille hatten schlimmere Verletzungen verhindert, aber die
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