Die Clans von Stratos
Klassen müssen den Mut aufbringen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und endlich eine Veränderung herbeizuführen…«
Maia hatte den Verdacht, daß es sich um einen illegalen Sender handelte. Die Worte klangen zornig, ja rebellisch, aber Maias eigene Reaktion war viel überraschender. Sie war überhaupt nicht schockiert. Sie wandte sich lediglich an Kiel und fragte, ob Sommerlinge wie sie auch zu den ›unterdrückten Klassen‹ gehörten.
»Na klar, Kleine. Heutzutage, wo jede Nische von dem einen oder anderen Clan besetzt ist, was für eine Chance hat da eine arme Var wie unsereins, etwas auf die Beine zu stellen? Aber die Dinge werden sich nur ändern, wenn wir uns zusammentun und die Sache selbst in die Hand nehmen.«
Die Stimme im Radio klang wie ein Echo solcher Empfindungen. »…Es gibt viele Methoden der Unterdrückung. Wir haben selbst erlebt, wie eine Tradition der Apathie geschaffen wurde, so daß die Wahlbeteiligung der Nichtklone auf dem Ostkontinent letztes fahr unter sieben Prozent lag, trotz der intensiven Anstrengungen der Radikalen Partei und der Gesellschaft Versprengter Samen…«
So hatte die Savante Schwester Claire immer die Varkinder genannt, die jeden Herbst die Lamatia-Feste verließen. Versprengte Samen. Theoretisch sollten die Sommerlinge sich auf die Suche nach dem speziellen Lebensweg machen, für den sie geboren waren, für das, wofür sie Talent hatten, um sich dort zu etablieren und zu entfalten. Doch so viele endeten in einer Sackgasse, legten ein Gelübde ab und suchten in der Kirche Zuflucht, oder sie schufteten wie die Lerner-Arbeiterinnen für Unterkunft, Verpflegung und ein paar billige Vergnügungen.
Maia dachte an all das, was sie seit ihrer Abreise aus Port Sanger erlebt hatte. »Manche sagen, es hätte in letzter Zeit viel mehr Sommergeburten gegeben. Deshalb sind wir so viele.«
»Absoluter Propaganda-Schwachsinn«, schimpfte Thalia. »Die beklagen sich doch immer, daß es zu viele Vars und zu wenige freie Nischen gibt. Aber das ist bloß eine Ausrede, um uns weniger bezahlen zu müssen. Selbst wenn du eine Arbeit kriegst, wirst du nie zu Besitz kommen. Und gewöhnlich ist die Arbeit bestenfalls für einen Mann geeignet.«
Das war gleich die Antwort auf Maias nächste Frage, nämlich, ob die Männer ebenfalls zu den ›unterdrückten Klassen‹ zählten. Kiels Argumentation hatte durchaus etwas für sich. Sicher, die Lerners waren gut bei dem, was sie taten. An den Hochöfen und in den Schmieden wußten sie immer schon eine Weile vorher, wo das nächste Problem auftauchen würde, und wenn man einer Lerner-Frau beim Arbeiten zusah, war es, als würde man eine Künstlerin beobachten. Aber hatten sie deshalb das Recht, diese Art von Unternehmen allein für sich zu beanspruchen, überall dort, wo es sinnvoll war, ein kleine Gießerei zu betreiben?
»Die Perkiniten sind die Schlimmsten«, brummte Thalia. »Die hätten am liebsten überhaupt keine Sommerlinge. Wenn sie könnten, würden sie die alten Genlabore wieder öffnen und dafür sorgen, daß es nur noch Wintergören gibt. Nichts als Klonmädchen, das ganze Jahr über.«
Maia schüttelte den Kopf. »Vielleicht kriegen sie ihren Willen, auch ohne die Labore wieder in Betrieb nehmen zu müssen.«
»Wie meinst du das?« fragen die beiden jungen Frauen wie aus einem Mund. Maia blickte auf und merkte erschrocken, daß sie um ein Haar ihr Geheimnis ausgeplaudert hätte.
Welches Geheimnis eigentlich? grübelte sie. Die Agentin hat mir nie gesagt, ich dürfte nicht darüber sprechen. Außerdem gehören Thalia und Kiel zu meiner Rasse, im Gegensatz zu der Polizeiagentin, dieser Klonfrau irgendwo in Caria.
»Hmm«, begann sie und senkte die Stimme. »Erinnert ihr euch an die Schwierigkeiten, die ich in der Jopland-Feste hatte?«
»Die Probleme, über die du bis jetzt nie sprechen wolltest?« Thalia beugte sich neugierig vor. »Ich hab zwei und zwei zusammengezählt und mir eine Theorie zurechtgeschustert. Ich würde mal vermuten, du hast dich in die Party reingeschlichen, die sie vor ein paar Wochen veranstaltet haben, um einen Mann zu kriegen, ohne dafür bezahlen zu müssen!« Thalia lachte, bis Kiel ihr mit dem Ellbogen einen Schubs versetzte und sie so zum Schweigen brachte. »Mach weiter, Maia. Erzähl uns davon, wenn du das Gefühl hast, du bist bereit dazu.«
Maia holte tief Luft. »Tja, wie es aussieht, haben zumindest einige Perkiniten eine Möglichkeit gefunden, wie sie das bekommen können, was sie
Weitere Kostenlose Bücher