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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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von der Prawda, würden die beiden für eine Pressekonferenz zur Verfügung stehen, um der Weltöffentlichkeit zu versichern, dass sie aus freien Stücken übergelaufen waren? Das Politbüro müsse wissen, so hatte Nikita Chruschtschow vermelden lassen, ob an den im Kreml kursierenden Gerüchten, es gebe noch einen dritten englischen Überläufer, etwas dran sei oder ob das reines Wunschdenken sei.
    Starik zertrat eine bulgarische Zigarette und ging zur südöstlichen Ecke des Daches, wo er sich auf die Balustrade setzte. Von den Äckern hinter dem Birkenwald wehte der kräftige Geruch von Dung herüber.
    Pascha Shilow, genannt Starik, war im Kaukasus geboren und aufgewachsen. Sein Vater, ein frommer Mann, der am Sabbat gefastet und seinen sechs Kindern jeden Abend beim Zubettgehen aus der Offenbarung vorgelesen hatte, war an Typhus gestorben, als Starik sechzehn Jahre alt war. Der Junge war daraufhin zum Bruder seines Vaters in die Ukraine geschickt worden. Vor der Zwangskollektivierung Anfang der Dreißigerjahre begleitete er seinen Onkel, einen kleinen bolschewikischen Beamten, der überprüfen musste, ob die privaten Bauernhöfe auch die vorgeschriebenen Quoten an den Staat abführten, auf seinen Reisen über Land. Die stärkste Erinnerung, die Starik noch daran hatte, war der unverfälschte Geruch der dampfenden Misthaufen nach einem Sommerregenguss. Da Stariks Onkel bei den ukrainischen Bauern verhasst war – gelegentlich wurden ihm die Autoreifen zerstochen oder Sand in den Benzintank geschüttet –, fuhr ein Wagen mit bewaffneten Milizsoldaten mit, und der junge Starik durfte manchmal mit einem ihrer Gewehre auf Bierflaschen schießen, die sie auf einem Zaun aufstellten.
    Der Junge hatte sich als miserabler Schütze erwiesen, denn sosehr er sich auch bemühte, er konnte einfach nicht verhindern, dass er zusammenzuckte, bevor er abdrückte. Offensichtlich, so sagte sein Onkel lachend, lagen Paschas Talente auf anderen Gebieten.
    Starik blickte über die Birken und konnte in der blassen Lücke zwischen den dunklen Gewitterwolken und dem Horizont ein Passagierflugzeug ausmachen, das sich im Landeanflug auf den Militärflugplatz befand, von dessen Existenz nur wenige in Moskau wussten. Wenn alles nach Plan verlaufen war, mussten die Engländer Burgess und Maclean an Bord sein. Um den Überläufern das Gefühl von Wichtigkeit zu geben, würden sie von ein paar Generälen in vollem Staat begrüßt, dann auf schnellstem Wege zur ausführlichen Befragung in die Ausbildungsschule des KGB gebracht werden. Anschließend würden sie den Partei-Leuten übergeben und Journalisten aus aller Welt präsentiert werden, um möglichst viel propagandistisches Kapital aus ihnen zu schlagen.
    Starik widmete sich indessen anderen Aufgaben, obwohl keine drei Leute in der Sowjetunion – ja, auf der ganzen Welt! – wirklich verstanden, was für ein großes Ziel er eigentlich verfolgte: die Zerstörung der amerikanischen CIA von innen.
    Die erste Phase seiner Kampagne hatte darin bestanden, ausgewählte Chiffriercodes in die Hände von Experten der CIA fallen zu lassen, damit sie Teile von Meldungen über den Sowjetagenten mit dem Decknamen HOMER knacken konnten; so waren die Amerikaner dem britischen Diplomaten Maclean auf die Spur gekommen. Nach Ansicht von Starik war Maclean entbehrlich.
    Seine Enttarnung war ohnehin nur noch eine Frage von Monaten gewesen; Starik hatte das Ganze lediglich beschleunigt.
    Das Timing war entscheidend. Starik wusste, dass Philby von Angleton erfahren würde, dass die Amerikaner das Netz um Maclean zuzogen. Sobald feststand, dass die Briten Maclean verhören würden, hatte Starik Philby auf den Gedanken gebracht, Burgess nach England zu schicken, um Maclean zu warnen. Dann war der Geniestreich gekommen: Burgess hatte nicht die Nerven verloren, wie die westlichen Zeitungen berichteten; Starik hatte ihm befohlen, zusammen mit Maclean überzulaufen. Burgess hatte zunächst beim Londoner Residenten protestiert, als er den Befehl erhielt; da er Philby zum britischen Geheimdienst geholt hatte, fürchtete er, wenn er überliefe, würde sein alter Freund auffliegen; außerdem hatten sie seit einiger Zeit in einem Haus in Washington zusammengewohnt. Der Resident hatte Burgess entsprechend Stariks Anweisungen überzeugt, dass Philbys Tage als Spion gezählt seien: Seit der gescheiterten Wischnewski-Operation in Berlin werde es für Philby immer brenzliger, und er werde zurückgeholt, bevor die Amerikaner ihn

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