Die Company
verhaften könnten; die drei Engländer würden in Moskau vor den Augen der ganzen Welt ein triumphales Wiedersehen feiern.
Burgess war kein großer Verlust; er war ein Paria, der vielen seiner britischen und amerikanischen Kollegen auf die Nerven ging, meistens alkoholisiert war, ständig Angst hatte und nur wenig brauchbare Informationen lieferte.
Ganz anders Kim Philby: Er stand Angleton nahe, hatte Kontakt zu anderen hohen Tieren der CIA und lieferte nach wie vor wertvolle Geheimnisse. Aber Starik hatte durch abgefangene Funkmeldungen erfahren, dass Torriti, der gerissene Leiter der Berliner CIA-Basis, Philby auf der Spur war. Mit einem so genannten Kontrastbrei würde er ihn über kurz oder lang enttarnen. Überhaupt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Kriwitski- Informationen und die vielen unlängst gescheiterten Infiltrationen von CIA-Emigranten Philby auffliegen lassen würden.
Das Rätsel an der Geheimdienstarbeit war, wie sehr sie die Nerven und die geistigen Kräfte eines erfolgreichen Agenten verschliss – das war weder zu messen noch zu lindern.
Nach zwanzig Jahren in der Branche machte Philby zwar noch immer eine recht gute Figur, aber auch er schaute gern einmal zu tief ins Glas, und seine Nerven lagen blank. Es war höchste Zeit, ihn zurückzuholen. Und es würde einem höheren Zweck dienen.
Denn Starik spielte ein subtileres Spiel. Die Gegenspionage war das Herzstück eines jeden Geheimdienstes. Angleton war das Herz der amerikanischen Gegenspionage. Starik studierte Angleton schon, seit Philby erstmals während des Krieges von der Ryder Street aus über ihn berichtet hatte. Starik hatte ihn weiter aus der Ferne beobachtet, als Angleton nach dem Krieg in Italien war, und später, als er in Washington die Gegenspionage der CIA leitete. Er hatte über den Berichten gebrütet, in denen Philby seine langen spätabendlichen Gespräche mit Angleton festgehalten hatte. Angleton hatte endlose Theorien darüber gesponnen, wie wichtig es war, jede gegebene Situation bis ins Kleinste zu analysieren. Aber Angleton hatte eine Achillesferse – er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand subtiler war als er, eleganter als er. Was bedeutete, dass jemand, der noch analytischer dachte, Angleton gegenüber gewaltig im Vorteil war.
Wie alle operativen Mitarbeiter der Gegenspionage hatte Angleton eine ausgemachte Paranoia. Jeder Überläufer war ein potenzieller Maulwurf, jeder Mitarbeiter des Geheimdienstes ein potenzieller Verräter. Jeder bis auf seinen Mentor und engen Freund Kim Philby.
Indem er Philby enttarnte, würde Starik Angletons Paranoia noch verstärken. Sie würde vollends von ihm Besitz ergreifen. Er würde Schatten nachjagen, jeden verdächtigen. Von Zeit zu Zeit würde Starik einen »Überläufer« schicken, um Angletons Paranoia weiter zu schüren. Wenn Starik es geschickt anstellte, würde Angleton den sowjetischen Interessen weit mehr dienen als ein richtiger Sowjetagent im Innern der CIA – er würde mit seiner Jagd nach Gespenstern die CIA lahm legen.
Nur eines war nicht nach Plan verlaufen: Philby hatte eigenmächtig beschlossen, sich nicht abzusetzen. Offenbar wollte er auf die materiellen Annehmlichkeiten des Kapitalismus nicht verzichten. Er würde bis in alle Ewigkeit seine Unschuld beteuern, und der MI5 hatte womöglich nicht genug in der Hand, um ihn vor Gericht zu bringen.
Aber Angleton wusste Bescheid!
Und Angleton war Stariks Ziel. Wenn Philby aufflog, wäre Angleton ein gebrochener Mann. Und ein gebrochener Angleton würde wiederum die CIA lahmen. Dann stände der Operation CHOLSTOMER nichts mehr im Weg, Stariks heroischem Plan, den westlichen Industrienationen das Rückgrat zu brechen, sie in die Knie zu zwingen und den Marxismus-Leninismus bis in die entlegensten Winkel der Erde zu tragen.
Es gab noch einen weiteren Grund, Philby aufs Abstellgleis zu schieben – Starik hatte seinen letzten, seinen besten Maulwurf mit dem Decknamen SASHA in Washington postiert. Er hatte Zugang zu den Führungskreisen sowohl der CIA als auch des Weißen Hauses. SASHA würde da weitermachen, wo Philby aufgehört hatte.
Eine warme Brise trug das satte Aroma der frisch gepflügten Erde von den Äckern herüber. Starik genoss den Duft einen Moment lang. Dann machte er sich wieder auf den Weg in sein Büro.
Der Kalte Krieg war noch lange nicht zu Ende.
Drei der Mädchen räkelten sich in ihren hauchdünnen Blusen auf dem großen Bett und kitzelten mit nackten Zehen
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