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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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nur die Spitze des Eisbergs.«
    »Im Ernst?«
    »Stimmt das, Adrian? Hast du Burgess zurückgeschickt, um Maclean zu warnen?«
    Philby richtete seine rotgeränderten Augen langsam auf Angleton. »Das tut weh, Jim. Das von dir zu hören …« Er schüttelte den Kopf. »Meine Welt gerät aus den Fugen, hab ich Recht?«
    »Bedell Smith hat deinem ›C‹ ein scharfes Telegramm geschickt; er will dich aus dem Land haben. Euer MI5 wird dich durch die Mangel drehen, Adrian.«
    »Das ist mir klar.« Er nahm den dritten Martini und kippte ihn in einem Zug in sich hinein. »Ich wäre abgehauen, wenn ich ein Maulwurf wäre«, sagte er zu dem Glas.
    »Ich weiß noch, wie wir einmal abends auf der Ryder Street waren und die Raketenbomben um uns herum explodierten«, sagte Angleton. »Wir haben theoretisiert, Adrian, und plötzlich hast du gesagt, eine Theorie sei ja so weit ganz nett. Du hast den Gründer des britischen Geheimdienstes zitiert, aus dem sechzehnten Jahrhundert –«
    »Francis Walsingham, alter Knabe.«
    »Ich kann zwar seinen Namen nicht behalten, aber ich werde nie vergessen, welches Zitat du von ihm zum Besten gegeben hast.«
    Philby brachte ein Grinsen zustande. »›Spionage ist der Versuch, Fenster zu finden, durch die man den Menschen in die Seele blicken kann.‹«
    »Genau, Adrian. Fenster, durch die man den Menschen in die Seele blicken kann.«
    Der Barkeeper stellte die beiden doppelten Martinis auf die Theke. Angleton rührte den ersten um. »Ich habe das Fenster noch nicht gefunden, durch das ich dir in die Seele blicken kann, Adrian. Wer bist du?«
    »Ich dachte, das wüsstest du.«
    »Das dachte ich auch. Jetzt bin ich nicht mehr sicher.«
    »Ich schwöre dir, Jimbo, ich habe meine Seite nie verraten –«
    »Welches ist deine Seite, Adrian?«
    Die Frage verschlug Philby für einen Moment die Sprache. Dann sagte er mit gespielter Unbekümmertheit: »So, ich muss mich auf die Socken machen. Tut mir Leid, aus dem Lunch wird nichts. Hab noch einiges zu tun, Koffer packen, das Haus dichtmachen, sehen, dass ich die Maschine erwische und so weiter.« Er fiel mehr oder weniger von seinem Hocker, hielt sich mit einer Hand an der Theke fest, schob einen Fünf-Dollar-Schein unter das Tellerchen mit den Oliven und streckte seine Hand aus. Angleton schüttelte sie. Philby nickte, als hätte ein Gedanke, den er eben gehabt hatte, etwas bestätigt, was er bereits wusste. »Lass dich nicht unterkriegen, Jimbo.«
    »Bestimmt nicht.«
    Angleton schaute Philby nach, wie er durch die Schwingtür wankte. Hoovers Männer hefteten sich sofort an seine Fersen. Er trank seinen Martini aus und dachte darüber nach, dass sich Fakten stets auf vielfältige Weise deuten ließen. Angenommen, Adrian war wirklich ein sowjetischer Spion. Dann war er ein wichtiger Mann, für den bestimmt der leitende Führungsoffizier, bekannt als Starik, zuständig war. Angleton hatte über Starik eine Akte angelegt, als ihm dessen Name erstmals in einer Information von dem sowjetischen Überläufer Kriwitski untergekommen war. Die Akte war noch ziemlich dünn, aber trotzdem war er überzeugt, dass der geheimnisvolle Starik ein verschlagener und pedantischer Planer war, stolz darauf, dem Feind immer einen Schritt voraus zu sein. Die entscheidende Frage war also nicht, was Philby verraten hatte – darum sollte sich der MI5 kümmern –, sondern, wer seinen Platz einnehmen würde. Denn es war nicht davon auszugehen, dass Starik die Quelle versiegen lassen würde.
    Angleton nahm einen Schluck von seinem zweiten Martini und schwor sich im Stillen: Er würde nie wieder einer Menschenseele so vertrauen, wie er Philby vertraut hatte. Niemandem. Nie wieder. Im Grunde konnte jeder ein sowjetischer Spion sein.
    Wirklich jeder.

 
    17 Berlin,
Samstag, 2. Juni 1951

    D
    er Zauberer klopfte an Jacks Tür. »Äh, kann ich reinkommen?«, fragte er auf der Schwelle, den schweren Körper respektvoll vorgebeugt.
    Die Frage erstaunte Jack. »Herein mit dir«, sagte er hinter seinem kleinen Schreibtisch. Er deutete auf die einzige andere Sitzgelegenheit in dem winzigen Büro, einen metallenen Hocker auf Rollen. Jack nahm eine Flasche Whiskey aus einem Karton zu seinen Füßen, stellte zwei Gläser auf den Schreibtisch und füllte beide exakt bis zur Hälfte. Torriti ließ sein Gewicht vorsichtig auf den Hocker nieder, rollte näher an den Schreibtisch heran und legte die Finger um das Glas. »Du hast nicht zufällig Eis da?«, fragte er.
    »Der Kühlschrank im Flur

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