Die Company
weltgewandten Manuel Piñeiro. Beide Männer brüsteten sich damit, Nikita Chruschtschow sowie einem geheimnisvollen Russen begegnet zu sein, der als führender Kopf des KGB galt und unter dem Spitznamen Starik, der alte Mann, bekannt war; die Kubaner bezeichneten ihren russischen Gesprächspartner spaßeshalber als Weißer Bart, um ihn von Piñeiro zu unterscheiden, der Barba Roja, Roter Bart, genannt wurde.
Leo markierte die Meldung für Bissell und drehte sich dann zu dem abgeschlossenen Aktenschrank um. Er öffnete das Zahlenschloss und zog die oberste Schublade heraus. Nach kurzem Suchen fand er die Akte, die er haben wollte, legte sie auf seinen Schreibtisch und schlug sie auf. Als sein Schwiegervater ihn am Morgen nach Kuba gefragt hatte, war Leo tatsächlich verblüfft gewesen. In Jacks Wahlkampftruppe ist es ein offenes Geheimnis, dass er über irgendeine bevorstehende Anti-Castro-Operation unterrichtet worden ist. Das stimmte, und es war sogar Leo selbst gewesen, der den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten davon unterrichtet hatte. Er hatte Senator Kennedy in seinem Zufluchtsort in Miami aufgesucht. Wie sich herausstellte, war es die Luxusvilla von Frank Sinatra. Kennedy und drei der fünf Mitglieder von Hollywoods legendärem Rat Pack – Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr. – hatten sich hinter dem Haus am Pool geräkelt, zusammen mit einem kleinen, fast kahlköpfigen Mann namens Sam Flood. Ach, wie hatte Leo sich über Adelles Gesichtsausdruck amüsiert, als er ihr erzählte, dass Sinatra höchstselbst ihm einen Drink gereicht und mit ihm geplaudert hatte, während Senator Kennedy einen Anruf entgegennahm.
Wieder zurück in Washington, hatte Leo für Bissell einen Bericht über das Gespräch mit Kennedy geschrieben und selbst eine Kopie behalten. Leos Notizen zufolge hatte Kennedy geäußert, das Thema müsse ja ganz schön wichtig sein, wenn er den weiten Weg auf sich genommen habe, nur um ihn darüber zu informieren. Leo hatte erwidert, die CIA halte die beiden Präsidentschaftskandidaten üblicherweise auf dem Laufenden. Kennedy, der in seiner weißen Flanellhose und dem offenen Hemd ausgeruht und entspannt wirkte, hatte sich noch einen Gin Tonic gemacht und dann mit Leo angestoßen. Ich bin ganz Ohr, hatte der Kandidat gesagt. Es geht um Kuba, hatte Leo angefangen. Kennedy hatte genickt. Dachte ich mir, hatte er gesagt. Dann hatte Leo sehr allgemein über die Exilkubaner gesprochen, die auf einer geheimen CIA-Basis auf einer entlegenen Kaffeeplantage in Mittelamerika ausgebildet würden. Ob Eisenhower diese Operation befürwortet habe, war Kennedys erste Frage gewesen. Absolut, hatte Leo erwidert. Ein solches Projekt hätte die CIA niemals ohne Genehmigung des Präsidenten gestartet. Falls alles nach Plan liefe, so hatte er weiter gesagt, würde die Infiltration der E xilbrigade zeitlich sowohl mit der Bildung einer provisorischen kubanischen Regierung als auch mit konzentrierten Guerilla-Aktivitäten in den verschiedenen Inselprovinzen zusammenfallen. Achten Sie darauf, hatte Kennedy eingeworfen, nicht so viel Krach zu machen, damit nicht gleich alle Welt vermutet, dass die USA dahinterstecken. Dann hatte er ganz beiläufig gefragt, ob es schon einen Zeitplan gebe. Vizepräsident Nixon dränge die CIA, das Ganze noch vor den Wahlen im November über die Bühne zu bringen, hatte er den Senator informiert.
»Werden Sie das?«
»Wir halten das nicht für empfehlenswert.«
»Hmmmm. Verstehe.« Kennedy hatte sich am Ohrläppchen gekratzt. »Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen müsste?«, hatte er gefragt.
Leo hatte den Kopf geschüttelt. »Das wäre im Augenblick alles. Es versteht sich von selbst, Senator, dass diese Informationen streng geheim sind und an niemanden weitergegeben werden dürfen, auch nicht an Ihre engsten Mitarbeiter.«
»Selbstverständlich«, hatte Kennedy gesagt. Er hatte ihm die Hand gereicht. »Ich danke Ihnen für die Unterredung.«
Am Abend hatte Leo eine Rede des Senators im Fernsehen verfolgt, in der er die Eisenhower-Regierung scharf dafür kritisierte, dass sie den Eisernen Vorhang bis auf neunzig Meilen an die amerikanische Küste hatte herankommen lassen und nichts dagegen unternahm. Nichts dagegen unternahm! Kennedy wusste, dass sie etwas dagegen unternahmen, wusste auch, dass Nixon sich nicht verteidigen konnte, weil er fürchten musste, die gesamte Operation zu gefährden. Mit einem Gesicht, das eine Maske der Aufrichtigkeit war, hatte Kennedy
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