Die Company
stockte der Atem. »Geier«, wiederholte er.
In Washington erweckte Millie Owen-Brack recht überzeugend den Eindruck, als würde sie arbeiten. Sie sollte einen Text für Allen Dulles vorbereiten, der einem gemeinhin als CIA-freundlich geltenden Journalisten ein inoffizielles Interview geben würde. Darin sollte Dulles klar machen, dass Amerika zwar mit den kubanischen Rebellen sympathisierte, die Company jedoch keineswegs die Landung in der Schweinebucht organisiert oder in irgendeiner anderen Weise unterstützt hatte. Millie war unkonzentriert und überarbeitete gerade zum zehnten Mal den zweiten Absatz. Sie änderte ein paar Formulierungen und starrte dann zum Fenster hinaus. In der Woche zuvor waren die ersten Kirschbäume auf der Mall erblüht, aber ansonsten lag noch kein Hauch von Frühling in der Luft; auch nicht in ihrem Herzen.
Die beiden anderen Frauen, die mit ihr im Büro saßen, blickten kurz auf und warfen sich Blicke zu. Sie wussten beide, dass Millie sich um ihren Mann ängstigte, der irgendwie in diese Schweinebuchtgeschichte verwickelt war.
Am späten Vormittag rief eine Sekretärin von oben an und erkundigte sich bei einer der Frauen, ob Millie Owen-Brack an ihrem Schreibtisch sei. »Ja, natürlich, sie ist da«, bestätigte die Frau und legte wieder auf.
Millie blickte auf. »Wer war denn dran?«
»Eine von oben, die wissen wollte, ob du im Büro bist.«
Die Frage beunruhigte Millie. »Heute ist Montag. Wo soll ich denn wohl sonst sein?«
Wenige Augenblicke später waren draußen die Schritte eines Mannes zu hören, der es nicht gerade eilig hatte, sein Ziel zu erreichen. Millie hielt den Atem an. Sie erinnerte sich noch lebhaft an den Tag vor zwölf Jahren, als Allen Dulles, damals DD/O, und sein Stellvertreter Frank Wisner in ihr kleines Büro gekommen waren, um ihr mitzuteilen, dass ihr Mann an der Grenze zwischen China und Burma erschossen worden war.
Die Tür öffnete sich, und Allen Dulles trat ein. Er war in den letzten Monaten sichtlich gealtert, und er wirkte erschöpft. Der optimistische Klang seiner Stimme war längst verschwunden. Jetzt schlurfte er durch den Raum auf Millies Schreibtisch zu. »Bitte bleiben Sie sitzen«, sagte er zu ihr. Er ließ sich langsam auf den Stuhl sinken und sog einen Moment lang an seiner erloschenen Pfeife. Schließlich hob er den Blick und bemerkte die Panik in Millies Augen. »O je«, sagte er. »Ich hätte es Ihnen sofort sagen sollen – ich habe keine schlechten Nachrichten, falls Sie das dachten.«
Millie atmete tief durch, doch ihr Herz schlug immer noch wie wild.
»Ich habe auch keine guten Nachrichten«, fuhr Dulles fort. Er sah zu Millies Kolleginnen hinüber. »Vielleicht könnten Sie beide uns einen Augenblick allein lassen …«
Die Frauen griffen nach ihren Handtaschen und eilten aus dem Zimmer.
»Also schön, es sieht folgendermaßen aus. Castros Flugzeuge haben heute Morgen zwei Schiffe versenkt. Darunter auch die Río Escondido, auf der Jack gefahren ist. Aber er war nicht mehr an Bord – offenbar hatte er eigenmächtig beschlossen, mit der ersten Angriffswelle an Land zu gehen. Zum Glück. Der Fernmeldewagen ist nämlich mit der Río Escondido untergegangen, so dass wir die einzigen direkten Meldungen vom Strand über eine improvisierte Funkverbindung bekommen, die Jack mit der Essex hält.«
»Wann haben Sie das letzte Mal von ihm gehört?«, fragte Millie.
Dulles sah auf die Uhr und zog sie geistesabwesend auf. »Vor etwa einer Dreiviertelstunde. Da haben wir das mit der Río Escondido erfahren.«
»Wie ist die Lage am Strand?«
»Nicht gut.« Dulles schloss die Augen und massierte sich die Stirn. »Ehrlich gesagt, furchtbar. Castros Truppen rücken vor. Die Brigade hat es nicht geschafft, die Munition von den Frachtern zu holen.«
»Das könnte sie doch noch –«
»Die Schiffe, die nicht versenkt wurden, sind aufs offene Meer geflohen –«
»Aber Sie können doch bestimmt aus der Luft für Nachschub sorgen«, sagte Millie hoffnungsvoll.
»Nicht, solange Castro noch Flugzeuge in der Luft hat. Jack Kennedy hat sich kategorisch geweigert …« Dulles sprach den Satz nicht zu Ende.
»Falls es richtig brenzlig wird«, sagte Millie, »holen Sie Jack doch da raus, oder?«
»Natürlich tun wir das«, sagte Dulles, wobei wieder ein Hauch der alten Beherztheit in seiner Stimme mitschwang. »Wir wollen auf keinen Fall, dass ein CIA-Offizier Castro in die Hände fällt.«
Er räusperte sich. »Ich weiß, Sie haben so
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