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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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haben?«
    Angleton deutete mit einem Nicken auf die Blechtasse neben der Toilette. »In der Kloschüssel ist Wasser.«
    Leo schüttelte entsetzt den Kopf. »Sie sind nicht ganz bei Trost, Jim. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich aus dem Klo trinke.«
    »Sie werden, wenn Sie es vor Durst nicht mehr aushalten. Was passierte nach dem Börsenkrach?«
    Als Leo nicht antwortete, sagte Angleton: »Damit wir uns richtig verstehen. Sie bleiben in diesem Raum, bis Sie alle meine Fragen beantwortet haben, und zwar mehrmals. Wir werden Ihr Leben vor und nach Ihrem Eintritt in die Company immer wieder durchkauen. Und es juckt mich nicht, wenn es Wochen, ja Monate dauert. Ich habe keine Eile. Möchten Sie weitermachen, oder soll ich morgen wiederkommen?«
    Leo flüsterte: »Sie Drecksack.«
    Angleton wollte seinen Aktendeckel zuklappen.
    »Schon gut, schon gut. Ich beantworte Ihre verdammten Fragen. Was nach dem Börsenkrach passiert ist? Mein Vater hat sich umgebracht.«
    »Wie?«
    »Das wissen Sie doch.«
    »Sagen Sie’s trotzdem.«
    »Er ist von der Brooklyn Bridge gesprungen.«
    »Wann war das?«
    »Im März 1936.«
    Angleton sagte: »Siebter März, um genau zu sein. Ist Ihr Vater nach dem Börsenkrach Kommunist geworden, oder war er bereits einer, als er aus Russland kam?«
    Leo lachte leise. »Mein Vater war Jude und wie der alte Prophet Arnos der Überzeugung, dass jeder, der mehr hat, als er braucht, ein Dieb ist, weil man das, was man zu viel besitzt, denjenigen gestohlen hat, die zu wenig haben. Arnos konnte von Glück sagen, dass es zu seiner Zeit noch keinen Joe McCarthy gab.«
    »Joe McCarthy scheint eine fixe Idee von Ihnen zu sein.«
    »Er war ein Scheißkerl.«
    »Waren Sie auch wie Arnos und Ihr Vater der Meinung, dass persönlicher Besitz denjenigen gestohlen wird, die nicht genug haben?«
    »In einer vollkommenen Welt könnte da etwas dran sein. Aber ich bin schon vor langer Zeit in die unvollkommene Welt übergewechselt.«
    »Hat der Kapitalismus Ihren Vater umgebracht?«
    »Mein Vater hat sich selbst umgebracht. Der Kapitalismus, wie er in den Zwanziger- und Dreißigerjahren praktiziert wurde, hat Bedingungen geschaffen, die sehr viele Menschen in den Selbstmord getrieben haben, einschließlich der Kapitalisten, die sich 1929 in der Wall Street aus dem Fenster gestürzt haben.«
    Angleton zündete sich eine neue Zigarette an. Der Anflug eines Lächelns hing in seinem Mundwinkel, und seine Pupillen glühten. Leo fiel ein, dass Angleton ein leidenschaftlicher Angler war; es hieß, er konnte mit unendlicher Geduld stundenlang am oberen Wasserlauf des Brule im Norden Wisconsins ausharren, bis die Forellen anbissen. Jetzt, so dachte Leo, warf der Leiter der Gegenspionage für ihn den Köder aus in der Hoffnung, er werde hier und da von der Wahrheit abweichen, bei der einen oder anderen Kleinigkeit lügen, bis er ihn am Haken hatte.
    Angleton blätterte seine Papiere durch, hakte hier einen Punkt ab, strich dort ein Wort durch und schrieb ein neues darüber. Er wollte wissen, wie Leo während des Zweiten Weltkrieges zu Sowjetrussland gestanden habe. Er sei noch jung gewesen, erwiderte Leo, er könne sich nicht erinnern, überhaupt darüber nachgedacht zu haben. »Sie sind nach dem Krieg dem Klub Ethical Culture in Brooklyn beigetreten«, sagte Angleton. Das sei nicht ganz richtig, entgegnete Leo; er sei dort hingegangen, um Schach zu spielen. »Was für Leute haben Sie dort kennen gelernt?«
    Leo musste lachen. »Leute, die Schach gespielt haben«, sagte er.
    »Sie haben eine junge Frau namens Stella dort kennen gelernt, nicht wahr?«, fragte Angleton. Leo bejahte. Er erinnere sich an Stella. Sie hatte alle damit genervt, dass sie ständig ihre Züge zurücknahm, am Ende war er dann der Einzige gewesen, der noch mit ihr spielen wollte. Angleton fragte: »Erinnern Sie sich an ihren Nachnamen?« Leo überlegte einen Moment und verneinte. Ein schwaches Lächeln zeigte sich in Angletons Gesicht. »Könnte es sein, dass sie Bledsoe hieß?«, wollte er wissen.
    »Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor«, sagte Leo.
    Angleton blickte von seinen Papieren auf. »War Stella Bledsoe Kommunistin?«
    Leo lachte. Sie war Sozialarbeiterin, und da viele in dem Beruf sozialistisch eingestellt waren, konnte das durchaus sein. »Wenn sie Kommunistin war, als ich sie in den Vierzigerjahren kennen lernte, so habe ich zumindest nichts davon gewusst«, schloss er.
    Angleton zog an seiner Zigarette. »Sie war der Parteilinie treu

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