Die Company
– einseitige atomare Abrüstung, Berlin den Russen überlassen –, damit war sie doch Kommunistin, oder sehen Sie das nicht so?«
»Wenn ja, spielt das eine Rolle?«
»Nein, Leo. Aber es würde die Sache vereinfachen.«
»Für wen?«
»Für Sie. Für mich. Für die Company. «
Leo hievte sich hoch und schlurfte, die Pyjamahose am Bund festhaltend, zum Klo und starrte auf das Wasser in der Schüssel. Er schluckte schwer, um seiner ausgetrockneten Kehle Linderung zu verschaffen, und kehrte zum Stuhl zurück. »Wo sind wir hier?«, fragte er und wies auf die gepolsterten Wände. Er glaubte es zu wissen; in der 231 Street gab es ein ehemaliges Marinehospital – eine Gruppe von gelben Gebäuden gegenüber vom State Department –, wo die CIA geheime Forschungen betrieb. Weil der Komplex so sicher war, wurden dort gelegentlich Überläufer vernommen.
Angleton blickte zu Leo auf. »Was Sie angeht, könnten wir auf einem anderen Planeten sein.« Es lag keine Bosheit in seiner Stimme, nur kühle Sachlichkeit.
»Meine Frau wird Fragen stellen, wenn ich nicht nach Hause komme.«
Angleton sah auf seine Uhr. »Der Director«, sagte er, »müsste Adelle inzwischen angerufen und sich überschwänglich dafür entschuldigt haben, dass er Sie so kurzfristig nach Asien geschickt hat. ›Eine dringende Mission‹, wird er ihr gesagt haben. ›Sie verstehen sicher, dass ich ihnen keine Einzelheiten mitteilen darf.‹ Ihre Frau wird die Nachricht tapfer aufgenommen haben; ganz bestimmt hat sie gefragt, wann Sie zurückkommen. ›Es kann einige Zeit dauern‹, wird der Director erwidert haben. ›Er hat nichts zum Anziehen‹, wird Ihre Frau besorgt gesagt haben. ›Seien Sie doch so nett, und packen Sie ihm eine Tasche, ich lasse sie dann abholen‹, wird der Director geantwortet haben. ›Ruft er mich an?‹, könnte Adelle noch gefragt haben. ›Ich habe absolute Funkstille angeordnet‹, hat der Director vielleicht erwidert. ›Aber ich versichere Ihnen, ich werde mich persönlich bei Ihnen melden, sobald ich was von ihm gehört habe.‹ – ›Ist sein Auftrag gefährlich?‹, könnte sie noch gefragt haben. ›Ganz und gar nicht‹, wird der Director entgegnet haben. ›Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.‹«
Leo hatte das Gefühl, als hätte er erneut einen Schlag in die Magengrube bekommen. »Bis heute war mir nicht klar, was für ein Schwein Sie doch sind«, murmelte er.
Seelenruhig blätterte Angleton zurück bis zur ersten Seite und starrte auf das einzige Wort, das darauf stand. Leo konzentrierte sich auf die Großbuchstaben, versuchte sie umgedreht zu lesen. Die Buchstaben wurden scharf. Das Wort lautete: SASHA.
Angleton klappte die Mappe zu und stoppte das Bandgerät. Er verstaute beides und den Aschenbecher in einer Tragetasche und ging ohne ein Wort zur Tür. Er klopfte zweimal, und der Preisboxer ließ ihn heraus. Sobald er allein war, bedauerte Leo, dass Angleton nicht mehr da war. Zumindest hatte er mit ihm reden können. Er breitete die Wolldecke aus, faltete sie doppelt, legte sich darauf und versuchte zu dösen. Die drei nackten Glühbirnen waren greller als zuvor – Leo begriff, dass sie sich dimmen ließen und aufgedreht worden waren. Während er so dalag, ganz klein zusammengerollt, verlor er jedes Zeitgefühl. Irgendwann wurde die Tür geöffnet, und jemand schob einen Blechteller in die Zelle, dann knallte die Tür wieder zu. Leo schlurfte zur Tür und stopfte sich mit den Fingern Brocken von kaltem Kohl in den Mund. Ihm kamen die Tränen, als er merkte, dass der Kohl stark versalzen war. Lange stand er da und starrte auf die Toilette. Schließlich ging er hin, tauchte den Becher ins Wasser und trank. Er würgte und kauerte sich hin, hielt den Kopf nach unten und atmete tief, damit er sich nicht übergeben musste. Als er sich besser fühlte, legte er sich wieder auf die Decke, die Augen weit geöffnet, und dachte nach.
SASHA.
Manny mochte Kukuschkin mehr und mehr. Sein offenes Gesicht, die Sorgenfalten, die sich auf seiner Stirn zeigten, wenn das Gespräch auf seine Frau oder Tochter kam, sogar die Ruhelosigkeit, die das metronomhafte Klicken seiner Fingernägel verriet – das alles untermauerte den Eindruck, dass AE/PINNACLE ein echter Überläufer mit echten Informationen war. Anders wäre es Manny lieber gewesen; er wünschte, Sergei würde ihm nicht unverwandt in die Augen sehen, wenn sie sich unterhielten, wünschte, er könnte eine leichte Zurückhaltung spüren, ein Zaudern,
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