Die Company
der stündlich die neusten Nachrichten brachte. Beide Fahrer stiegen gleichzeitig aus. »Jack«, sagte Leo. »Was machst du denn um diese Zeit hier?«
»Ich brauche dringend was zu trinken«, stöhnte Jack, als sie zur Haustür gingen. Heimlich musterte er seinen alten Yale-Kommilitonen und Ruderkameraden. Körperlich hatte Leo Angletons drakonische Inquisition von vor neun Jahren gut überstanden. Sein Haar war wieder gewachsen, er war nicht mehr hager, sondern wirkte schlank und kräftig. Wenn seine Qualen Spuren hinterlassen hatten, dann in Leos dunklen Augen, die noch immer gehetzt blickten, und heute Abend mehr denn je, so kam es Jack zumindest vor. »Du siehst aus, als könntest du auch einen kräftigen Schluck gebrauchen, mein Alter.«
»Da sind wir beide hier genau richtig«, sagte Leo. Er schloss die Tür auf, machte das Licht an und ging schnurstracks zur Bar. »Was kann ich dir anbieten, Jack?«
»Whisky, pur. Und nicht zu knapp.«
Leo füllte zwei Gläser mit Glenfiddich. »Irgendwas Neues über den Stoßtrupp?«, fragte Leo und reichte Jack ein Glas.
»Sie sind über den Nameh-Pass rüber, nördlich vom Khyber.« Jack runzelte die Stirn. »Jetzt ziehen sie durch die Berge und halten Funkstille, also werden wir erst wieder was hören, wenn sie Ibrahims Berggipfel erreicht haben.«
»Wann ist es so weit?«
»Schwer zu sagen, wie lange sie mit den Packtieren brauchen. Wir rechnen mit mindestens fünf, höchstens acht Tagen.«
»Muss schwer sein für Millie«, vermutete Leo.
»Schwer ist untertrieben«, sagte Jack. »Andererseits, wenn es gut ausgeht –«
»Das wird es, Jack.«
»Ja, das sage ich mir selbst auch die ganze Zeit, aber so ganz überzeugt bin ich noch nicht.« Er trank einen Schluck.
Leo winkte Jack zum Sofa, ließ sich müde in einen Schaukelstuhl sinken und nippte nachdenklich an seinem Whisky. »Dieser Fet –«
»Ach ja, nach dem wollte ich dich schon gefragt haben. Was hat er denn Schönes mitgebracht?«
»Wir haben ja noch keinen Detektortest mit ihm gemacht, deshalb können wir noch nicht sagen, ob er uns nicht jede Menge Mist erzählt. Andererseits –«
»Ja?«
»Er behauptet, die Führungsspitze des KGB sei bereit, Afghanistan abzuschreiben. Innerhalb des KGB wird diese Information streng geheim gehalten. Die halten den Krieg für verloren – es ist nur noch eine Frage der Zeit und weiterer Verluste, bis das sowjetische Militär das auch kapiert und sich überlegt, wie der Krieg beendet werden kann.«
»Donnerwetter! Wenn das stimmt –«
»Fet behauptet, er habe Befehl gehabt, Kontakte zu verschiedenen radikalislamischen Splittergruppen aufzunehmen. Der KGB denkt schon an die Zeit nach dem Krieg, wenn die Fundamentalisten in Afghanistan an der Macht sind und ihr Augenmerk woandershin lenken. Fet sagt, beim KGB sei man der Meinung, man könne sich den Amerikahass der Fundamentalisten nutzbar machen und ihn gegen die amerikanischen Interessen im Nahen Osten richten.« Leo runzelte nachdenklich die Stirn; irgendetwas schien ihn sichtlich zu beunruhigen. »Die sind weit zynischer, als ich gedacht hatte.«
»Wenn Fet sagt, er sollte Kontakt zu Fundamentalisten aufnehmen, was heißt das genau?«
»Das heißt, dass Fet und der KGB zu dem Schluss gekommen sind, dass Ibrahim ein Hoffnungsträger ist. Das heißt, dass sie Manny und mein Patenkind Anthony beschattet haben. Das heißt, dass sie Ibrahim gedrängt haben, sie zu entführen – Maria Shaath saß nur zufällig mit im Auto – und sie gegen Stinger-Raketen auszutauschen, die Ibrahims Chancen erheblich erhöhen, am Ende führender Kopf der Fundamentalisten zu werden.«
»Aber mit den Stinger-Raketen werden russische Kampfhubschrauber abgeschossen«, sagte Jack.
»Wie Fet gesagt hat, ist das der kurzfristige Preis, und der KGB ist bereit, ihn zu zahlen. Wenn die Fundamentalisten Stinger-Raketen in die Hände bekommen, so haben Fets Vorgesetzte ihm erklärt, lässt sich das sowjetische Militär eher davon überzeugen, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist. Und je eher der Krieg endet, desto eher werden die Fundamentalisten den Blick auf den Nahen Osten richten, wobei der KGB hinter den Kulissen die Fäden in der Hand hält und seine Aufmerksamkeit den saudischen Ölfeldern zuwenden kann.«
Beide konzentrierten sich eine Zeit lang auf ihre Drinks, und jeder hing seinen Gedanken nach. Schließlich blickte Leo zu seinem alten Freund hinüber. »Wann verrätst du mir endlich, weshalb du wirklich so spät noch hier
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