Die Company
bei mir Eindruck zu schinden?«
»Könnte man wohl so sagen. Ist es mir gelungen?«
Das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, und ihre Augen wurden sehr ernst. »Ich glaube ja«, sagte sie.
James Angleton hatte den Kragen des abgetragenen Mantels hochgeschlagen und einen mottenzerfressenen Kaschmirschal um den hageren Hals geschlungen. Er rollte seinen Stuhl zurück, um die Sonne nicht in die Augen zu bekommen.
»Musste ja irgendwann passieren«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Zu viele Schachteln Zigaretten am Tag über zu viele Jahrzehnte hinweg. Hab das Rauchen schließlich aufgegeben, auch die Trinkerei, aber es war zu spät. Lungenkrebs, haben sie mir gesagt. Jetzt kriege ich Schmerzmittel, die mit jedem Tag ein wenig an Wirkung verlieren.«
Er rollte den Stuhl näher an Ebby heran, der seinen Mantel ausgezogen und die Krawatte gelockert hatte und jetzt auf einem kaputten Korbstuhl Platz nahm. »Das Komische ist, dass man sich an den Schmerz gewöhnt. Irgendwann weiß man nicht mehr, wie es ohne war.« Angleton drehte seinen Rollstuhl erst nach links, dann nach rechts. »Ich bin viel hier drin«, sagte er. »Die Hitze, die Feuchtigkeit, irgendwie hilft es mir zu vergessen.«
»Was vergessen?«, fragte Ebby.
»Den Schmerz. Wie sehr ich Zigaretten und Alkohol und Adrian Philby vermisse. Die große Jagd nach dem Maulwurf. Die AE/PINNACLE-Informationen, die auf SASHA hindeuteten. All die Fehler, die ich gemacht habe, und das waren nicht wenige, wie Sie ja wissen.«
Ebby ließ den Blick durch das Gewächshaus wandern, das ganz hinten in Angletons Garten stand. Blumentöpfe, Pflanzgefäße, Gartengeräte, Arbeitstische aus Bambus und Korbmöbel waren in einer Ecke wild übereinander getürmt. Einige Scheiben im Dach waren bei dem Hagelsturm im letzten Winter kaputtgegangen und nicht repariert worden. Die Sonne hatte das etwa halbe Dutzend der Orchideen verbrannt, die noch auf dem Boden herumstanden. Die Erde in den Töpfen sah pulvertrocken aus. Offensichtlich kümmerte sich niemand mehr um sie.
»Nett, dass Sie mal vorbeischauen«, nuschelte Angleton. »Ich bekomme nicht mehr viel Besuch von Company -Leuten. Ehrlich gesagt, gar keinen. Ich glaube, die neue Generation weiß nicht mal mehr, wer Mother ist.«
»Ich war der Meinung, dass jemand von uns herkommen sollte, um es Ihnen zu sagen.«
»Was denn?«
»Dass Sie die ganze Zeit über Recht hatten, Jim. Der KGB hatte tatsächlich einen Maulwurf im Innern der Company. Und Sie haben ihn identifiziert, aber keiner wollte Ihnen glauben. Als sich herausstellte, dass AE/PINNACLE nach seiner angeblichen Hinrichtung doch noch am Leben war, wurde Ihr Verdächtiger freigelassen.«
Zum ersten Mal blickte Angleton seinen Besucher an. »Kritzky!«
Ebby nickte.
»Habt ihr ihn erwischt?«
»Er ist geflohen, wie schon Philby und Burgess und Maclean.«
Angletons Unterlippe bebte. »Ich habe gewusst, dass es Kritzky war – habe es ihm auch mitten ins Gesicht gesagt. Eins muss man ihm lassen, Mumm hatte der Bursche, seinen Bluff so lange durchzuziehen, bis ihr alle ihn geschluckt habt. Den Unschuldigen zu spielen. Mumm hatte er wirklich.«
»Sie hatten auch noch in einer anderen Sache Recht, Jim. Es hat tatsächlich einen sowjetischen Plan gegeben, unsere Währung zu unterminieren und die Wirtschaft zu ruinieren, und der Codename dafür war CHOLSTOMER.«
»CHOLSTOMER«, stöhnte Angleton. Er hob eine Hand an den von Migräne geplagten Kopf. »Davor habe ich auch gewarnt. Einer meiner größten Fehler – ich habe so oft und vor so viel gewarnt, dass meine Glaubwürdigkeit dabei vor die Hunde gegangen ist. Wenn ich mal Recht hatte, wollte keiner mehr auf mich hören.«
Ebby sagte: »Tja, ich dachte, Sie sollten das wissen. Ich dachte, das sind wir Ihnen schuldig.«
Beide Männer wussten nicht mehr, was sie noch sagen sollten. Schließlich fragte Ebby: »Wie soll’s jetzt mit Ihnen weitergehen, Jim? Kann man denn gar nichts mehr machen, gegen ihren –«
»Es geht nicht mehr weiter. Hier ist Endstation, Schluss, aus. Ich werde allein in den Wald gehen und das Ende meines Lebens selbst bestimmen, wie ein Apache.« Angleton zog den Mantel enger um den ausgezehrten Körper, schloss die Augen und fing an zu summen. Es klang wie ein indianischer Todesgesang.
Er schien nicht zu bemerken, dass Ebby seinen Mantel nahm und ging.
VI
Schlussbilanz
… ob das Spiel zu Ende sei, dachte sie,
dass würde gewiss keine zu anstößige Frage sein.
» Bitte,
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