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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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könnte ich wissen – «,
    begann sie mit einem zaghaften Blick zur Schwarzen Königin.
     
    LEWIS CARROLL, Alice hinter den Spiegeln
     
     
     
     
    Foto: Ein Polaroidfoto von Jack McAuliffe und Leo Kritzky beim Spaziergang am sonnenüberfluteten Rheinufer in Basel. Jack, dessen Kosakenschnurrbart und gelichtetes Haar vom Wind zerzaust sind, trägt Brille, khakifarbene Safarijacke und Hose, Leo, das Gesicht schmal und abgespannt, Anorak und Schirmmütze. Beide Männer sind so ins Gespräch vertieft, dass sie die Fotografin zuerst nicht bemerkten, die vor ihnen auftauchte und sie ablichtete. Leo reagierte wütend. Jack beruhigte ihn und kaufte der Fotografin den Schnappschuss ab. Leo wollte das Foto zerreißen, aber Jack hatte eine andere Idee. Er nahm einen Stift und schrieb quer über das Bild: »Jack und Leo vor dem Rennen, aber nach dem Sündenfall«, und schenkte es Leo zur Erinnerung an ihre Begegnung, die ihre letzte sein sollte.
     
     

1 Moskau,
Donnerstag, 28. Februar 1991

    L
    eo Kritzky konnte sich einfach nicht an den russischen Winter gewöhnen. Er hatte sieben Jahre und acht Winter gebraucht, um zu begreifen, wieso. Es lag weniger an den arktischen Temperaturen oder an dem schmutzigen Schnee, der sich vor schmutzigen Häusern türmte, oder an der dicken Schicht aus schwarzem Eis auf den Gehwegen oder an den riesigen Schornsteinen, die kalkweißen Rauch in das ewige Zwielicht spuckten, oder an der Feuchtigkeit zwischen den Doppelfenstern seiner Wohnung, wodurch die Scheiben unaufhörlich beschlagen waren und er sich vorkam wie von der Außenwelt abgeschnitten. Nein, es lag eher an der erbarmungslosen Trostlosigkeit der Menschen – die grimmigen Gesichter von Rentnern, die an den Straßenecken Rasierklingen feilboten, die Leere in den Augen der Prostituierten, die sich in Metrostationen verkauften, um ihre Kinder zu ernähren, die Resignation in der Stimme der Taxifahrer, die auch nach fünfzehn Stunden Arbeit pro Tag nicht wussten, ob das Geld für die Reparatur ihrer altersschwachen Autos reichte.
    Noch zweiunddreißig Tage bis zum ersten April, sagte Leo sich, als er mit vorsichtigen Trippelschritten über den vereisten Taganskaja-Platz ging. Vor sich sah er den Handelsclub in der Bolschaja Kommunistitscheskaja, wo schicke Neureiche in nobler Atmosphäre unter sich waren. Es war nicht zu übersehen, denn davor parkten vorschriftswidrig etwa zwei Dutzend funkelnagelneue BMW oder Mercedes, mit laufendem Motor, damit es die breitschultrigen Bodyguards, die auf den Vordersitzen dösten, schön warm hatten. Leo betrat den Club, gab seinen Dufflecoat (ein Geburtstagsgeschenk von Tessa) an der Garderobe ab und ging zum Empfang, wo er höflich, aber bestimmt gebeten wurde, sich auszuweisen. Sobald auf einem Computerbildschirm überprüft worden war, dass sein Name auf einer Liste stand, sagte ein Angestellter in einem weißen Jackett zu ihm: » Gospodin Tsipin erwartet Sie in den Privatbädern, Tür Nummer drei«, und führte ihn dann über einen frisch gestrichenen Korridor zu dem Raum.
    Jewgeni, ein durchnässtes Badetuch um die Hüften gewickelt, saß auf einer Holzbank und schlug sich mit einem Birkenzweig auf den Rücken. »Wo bleibst du denn?«, rief er, als er Leo sah.
    »Die Vychino-Krasnopresnenskaja-Linie war für eine halbe Stunde unterbrochen«, erwiderte Leo. »Ein Mann soll vor einen Zug gefallen sein.«
    Jewgeni schnaubte. »Das hier ist Gorbatschows Russland«, sagte er. »Gut möglich, dass er gestoßen wurde.«
    »Du warst doch mal ein unerschütterlicher Optimist«, sagte Leo. »Hat Russland aus dir einen unverbesserlichen Zyniker gemacht?«
    »Ich habe dreißig Jahre für den Kommunismus gekämpft«, sagte Jewgeni, »dann bin ich in ein Russland heimgekehrt, das von Gaunern regiert wird.« Das Lächeln auf Jewgenis Lippen unterstrich seine Ernüchterung nur noch. »Schön, dich wieder zu sehen nach so langer Zeit.«
    »Ich freue mich auch, Jewgeni.«
    Verlegenheit schlich sich ein. »Wenn ich gewusst hätte, dass du mit der Metro kommst«, sagte Jewgeni, »hätte ich dich mit einem meiner Wagen abholen lassen.«
    » Einem meiner Wagen? «, fragte Leo. Schamhaft drehte er Jewgeni den Rücken zu und zog sich aus, reichte dann seine Sachen dem Angestellten, der ihm ein weißes Badetuch gab, das er sich rasch um die Hüften schlang. »Wie viele Wagen hast du denn?«
    Jewgeni, der während seiner sieben Jahre in Moskau zugenommen hatte, füllte zwei Gläser mit eisgekühltem Wodka. »

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