Die Company
Nasdorowje «, sagte er und leerte sein Glas in einem kräftigen Zug. »Persönlich gehört mir nicht mehr als das Hemd am Leib. Andererseits hat meine Organisation mehrere BMW, ein paar Volvos und einen Ferrari, dazu noch die Apatow-Villa in der Nähe des Dorfes Tscherjomuski. Beria hatte dort eine Wohnung bis zu seiner Exekution im Jahre 1953, Starik hat da gewohnt und gearbeitet, bis er krank wurde; in der holzgetäfelten Bibliothek im ersten Stock hat er mich damals angeworben. Ich habe die Villa für eine Million Rubel dem Staat abgekauft, fast geschenkt bei der jetzigen Inflation.« Jewgeni spitzte die Lippen. »Also, wo hast du die ganze Zeit gesteckt, Leo? Ich hab gehört, du hättest dich nach unserer Rückkehr in Gorki niedergelassen, doch als ich deine Adresse rausgefunden hatte, warst du schon wieder umgezogen. Vor zwei Jahren hat mir ein Freund erzählt, du würdest auf einem Hausboot an der Endstation der Linie Retschnoi Woksal wohnen – ich habe ein paarmal einen Fahrer hingeschickt, aber es war nie jemand da. Ich dachte schon, du hättest vielleicht die Stadt verlassen, oder das Land. Schließlich hat mir ein alter Kollege vom KGB verraten, an welche Adresse dein Pensionsscheck geschickt wird: Frunsenskaja-Ufer – Nummer fünfzig, Eingang neun, Wohnung dreihundertdreiundsiebzig.«
Leo sagte leise: »Ich musste so einige Geister austreiben. Ich bin mehr oder weniger ein Einsiedler geworden – ein Einsiedler in einer Großstadt voller Einsiedler.«
Jewgeni wickelte sich aus dem Badetuch und zog Leo in die Sauna. Die Hitze brannte Leo in der Kehle, als er einatmete. »Ich bin so was nicht gewohnt – glaub nicht, dass ich das lange aushalte.«
Jewgeni, dessen Gesicht puterrot wurde, goss eine Kelle kaltes Wasser auf die heißen Kohlen. Zischend erfüllte Dampf die trockene Luft. »Du gewöhnst dich dran«, flüsterte er. »Es geht darum, genug Hitze im Körper zu speichern, damit man die Wintermonate übersteht.«
Leo verließ die Sauna, als die Sanduhr durchgelaufen war. Jewgeni folgte ihm, und beide stiegen sie in ein gekacheltes Becken. Das Wasser war so eisig, dass Leo die Luft wegblieb. Als sie später, eingehüllt in trockene Tücher, auf der Bank saßen, schob der Angestellte einen Handwagen mit zakuski herein – Hering, Kaviar, Lachs und eine Flasche eiskalten Wodka.
»Ich weiß nicht, ob ich mir das von meiner KGB-Pension leisten kann«, sagte Leo.
»Du bist mein Gast«, rief Jewgeni ihm in Erinnerung.
»Wie bist du so reich geworden?«, fragte Leo.
Jewgeni blickte seinen Freund an. »Willst du das wirklich wissen?«
»Und ob. Dauernd sehe ich diese Typen in dicken Schlitten, mit Ledermänteln, am Arm eine Blondine. Ich bin neugierig, wie sie das machen.«
»Es ist kein Staatsgeheimnis«, sagte Jewgeni. »Nach meiner Rückkehr hat mir die Moskauer Zentrale einen Job in der USA-Abteilung des Ersten Direktorats verschafft, aber ich habe rasch gemerkt, dass das nichts für mich ist. Als Gorbatschow 1985 auf der Bildfläche erschien, habe ich beschlossen, auf eigene Faust mein Glück zu versuchen. Das Mekka des freien Unternehmertums muss wohl in all den Jahren auf mich abgefärbt haben. Ich habe für einen Spottpreis ein heruntergekommenes Schwimmbad mit Turnhalle gemietet und daraus ein Fitnesscenter für die neureichen Russen gemacht. Mit dem Gewinn habe ich ein Informationscenter für ausländische Investoren eröffnet. Mit dem Gewinn daraus habe ich eine Finanzzeitung gegründet. Dann habe ich meine Geschäfte ausgeweitet. Ich habe in Sibirien Rohstoffe ge- und verkauft und dafür Fertigprodukte importiert – Videorecorder aus Japan, Computer aus Hongkong, Bluejeans aus den USA. Sag mir, wenn ich dich langweile.«
»Im Gegenteil.«
»Die Videorecorder und Computer und Bluejeans habe ich mit Riesengewinn in Russland verkauft. Die ganze Zeit über hatte ich praktisch vom Rücksitz eines Wagens aus gearbeitet und in einer relativ kleinen Mietwohnung hinter dem Kreml gewohnt. Ich brauchte eine größere Wohnung und Büroräume, deshalb habe ich die Apatow-Villa gekauft. Damit waren alle Probleme gelöst. Heute kommen Leute zu mir, die irgendwelche Ideen umsetzen wollen, und ich gebe ihnen Startkapital, wofür sie mich mit fünfzig Prozent am Geschäft beteiligen. Außerdem gründe ich gerade eine Privatbank. Ich nenne sie Große Russische Handelsbank. Diese Woche öffnen wir unsere Pforten, mit Zweigstellen in Leningrad, Kiew und Smolensk und auch in Berlin und Dresden, um im
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