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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Amerika, den Kalten Krieg gewonnen hat.«
    Erschreckt packte Starik Jewgenis Handgelenk noch fester. »Wie ist das möglich? Wir haben doch jede Schlacht gewonnen … Philby, Burgess, Maclean, Kritzky – endlose Liste.« Starik schüttelte bestürzt den ausgemergelten Kopf. »Tolstoi wird sich im Grab umdrehen … Der Kommunismus, von den Juden verraten.« Er schnappte nach Luft. »Der Kalte Krieg mag zu Ende gehen … aber es gibt noch ein Finale. In Tolstois Geschichte dient der Tod des Pferdes CHOLSTOMER einem Zweck – die Wölfin und ihre Jungen ernähren sich von seinem Kadaver. Auch wir werden uns von dem ernähren, was von CHOLSTOMER übrig ist. Entscheidend ist, dass wir –«
    Sein Atem versagte, und einen Moment lang keuchte er beängstigend. Jewgeni wollte schon nach einem Arzt rufen, doch dann gewann Starik die Kontrolle über sich zurück. »Entscheidend ist, über den Kommunismus hinauszublicken … Nationalismus und Reinigung zu sehen … die Juden ein für allemal loszuwerden … zu Ende bringen, was Hitler begonnen hat.« Stariks Augen loderten zornig. »Ich habe Kontakt zu Leuten … ich habe ihnen deinen Namen genannt, Jewgeni Alexandrawitsch … jemand wird sich bei dir melden.« Starik verließ die Kraft, und er sank zurück in seinen Rollstuhl. »Erinnerst du dich … an Tolstois letzte Worte?«
    » Die Wahrheit – sie bedeutet mir viel «, murmelte Jewgeni.
    Starik blinzelte mehrmals, so dass Tränen über seine pergamentspröden Wangen liefen. »Das ist eine gute Losung … wer immer sie ausspricht … kommt mit meinem Segen zu dir.«
     
    Jewgeni, der in seinem Armani-Dreiteiler wie ein Schweizer Bankier aussah, arbeitete sich durch den Saal.
    »Schön, dass Sie kommen konnten, Archip«, sagte er zu einem Wirtschaftsexperten von der Zentralbank und drückte ihm die Hand. Er senkte die Stimme. »Wie entschlossen ist Gorbatschow, den Rubel zu stützen?«
    »So lange er kann«, lautete die Antwort. »Das große Fragezeichen ist die Inflation.«
    »Glückwunsch, Jewgeni Alexandrawitsch«, rief ein groß gewachsener Mann, aus dessen Jacketttasche der Wirtschaftsteil einer zusammengefalteten Iswestja lugte. »Mein Vater und ich wünschen Ihnen viel Erfolg mit Ihrer neuen Bank.«
    »Danke, Fedja Semjonowitsch«, sagte Jewgeni. »Schade, dass Ihr Vater nicht hier ist. Ich würde mich gern mit Ihnen beiden darüber unterhalten, was wir im Bereich Devisenservice für Import-Export-Firmen anzubieten haben.«
    Kellnerinnen schlängelten sich mit Tabletts voller Kaviar-Kanapees durch das Gedränge in dem Ballsaal, den Jewgeni für den Nachmittag gemietet hatte. Jewgeni nahm ein Glas Champagner von der langen Tafel und blickte sich um. Vor den schweren geschlossenen Vorhängen an einem der hohen Fenster hielten zwei elegante Frauen in tief ausgeschnittenen Cocktailkleidern Hof, im Halbkreis umgeben von Männern.
    Jewgeni erkannte die Ältere der beiden – sie war die Frau des berüchtigten Pressebarons Pawel Uritzki. Er ging zu ihr, beugte sich vor und streifte ihren Handrücken mit den Lippen. Dann gab er der anderen Frau und den Männern die Hand. »Wir sind der einhelligen Meinung«, sagte einer von ihnen zu Jewgeni, »dass Russland nur mit kräftigen Investitionsspritzen aus dem Ausland überleben kann. Die Frage ist, wie wir angesichts der unsicheren politischen Lage und der schwachen Währung Kapital anziehen können –«
    »Gorbatschow ist für die Situation verantwortlich«, sagte die ältere Frau kategorisch. »Wir brauchen eine eiserne Hand am Ruder …«
    »Mathilde würde uns am liebsten wieder zurück in die Breschnew-Ära befördern«, sagte einer der Männer lachend.
    »Sogar noch weiter zurück, in die Stalin-Ära«, entgegnete die Frau. »Die Leute vergessen heute gern, dass die Wirtschaft unter Stalin funktioniert hat. Die Regale in den Läden waren voll. Niemand musste hungern. Wer arbeiten wollte, konnte arbeiten.«
    »Zugegeben, in Moskau musste niemand hungern«, sagte ein Mann. »Aber auf dem Land sah die Sache anders aus.«
    »Unter Stalin gab es keine Uneinigkeit«, sagte ein anderer. »Heutzutage gibt es zu jedem Thema zwanzig verschiedene Meinungen.«
    »Es gab keine Uneinigkeit«, warf Jewgeni ein, »weil die Gulags voller Dissidenten waren.«
    »Ganz genau«, sagte die ältere Frau, die Jewgeni missverstanden hatte. Sie richtete ihre intelligenten Augen auf ihn. »Man erzählt sich, Jewgeni Alexandrowitsch, dass Sie in Amerika für den KGB spioniert haben. Ist da was

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