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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Sie einen legendären Ruf.«
    »Ich habe nur meine Pflicht getan, Genosse Vorsitzender.«
    Krjutschkow gestattete sich ein humorloses Lächeln. »Seit Gorbatschow an der Macht ist, werden es immer weniger, die noch den Begriff Genosse benutzen.«
    Er bugsierte Jewgeni ins Badezimmer und drehte die beiden Wasserhähne voll auf. »Einer von uns – ein führender Funktionär, der im Zentralkomitee für die Finanzen zuständig ist – hat im Laufe der Jahre erhebliche Summen ausländischer Devisen nach Deutschland transferiert und sie mit Hilfe eines Devisenbeschaffers in Dollars und Gold umgewandelt. Falls wir Gorbatschow ausbooten und den Ausnahmezustand ausrufen, brauchen wir immense Summen, um unsere Bewegung zu finanzieren. Sobald wir Erfolg haben, müssen wir in den größeren Städten umgehend die Regale der Lebensmittel- und Spirituosenläden füllen, um zu beweisen, dass wir das gorbatschowsche Chaos beseitigen können – wir machen die Grundnahrungsmittel und vor allen Dingen Wodka billiger. Außerdem schicken wir den Rentnern, die seit Monaten kein Geld mehr erhalten haben, die ausstehenden Renten. Dafür brauchen wir eine sofortige Kapitalspritze.«
    Jewgeni nickte. »Jetzt verstehe ich, warum ich eingeladen wurde –«
    »Ihre Große Russische Handelsbank hat eine Zweigstelle in Deutschland, soviel ich weiß.«
    »Sogar zwei. Eine in Berlin, eine in Dresden.«
    »Ich frage Sie jetzt ganz offen – können wir auf Ihre Hilfe zählen, Genosse?«
    Jewgeni nickte energisch. »Ich habe nicht das ganze Leben für den Kommunismus gekämpft, um jetzt zuzusehen, wie ein Reformer ihn zugrunde richtet, der vom Hauptgegner manipuliert wird.«
    Krjutschkow ergriff mit beiden Händen Jewgenis Hand und blickte ihm tief in die Augen. »Der für die Finanzen verantwortliche Funktionär im Zentralkomitee heißt Iswolski. Nikolai Iswolski. Prägen Sie sich den Namen ein. Iswolski wird sich in den nächsten Tagen mit Ihnen in Verbindung setzen. Er wird als Verbindungsmann zwischen Ihnen und dem deutschen Devisenbeschaffer fungieren – mit ihm gemeinsam werden Sie die Rückführung der Gelder über Ihre Bank abwickeln. Wenn es so weit ist, werden Sie die Gelder für unsere gemeinsame Sache zur Verfügung stellen.«
    »Ich freue mich, wieder dabei zu sein«, sagte Jewgeni, »und ich bin stolz, wieder mit Gleichgesinnten dafür zu kämpfen, Schaden von der Sowjetunion abzuwenden.«
     
    Am nächsten Tag ging Jewgeni auf einen Drink in die Pianobar des Monolith Club, wo sich die neue Elite traf und Aktienempfehlungen und Tipps für Kapitalanlagen im Ausland austauschte. Während er über das Treffen in Perchuschowo nachdachte und sich fragte, auf was er sich da eingelassen hatte und was er unternehmen sollte – irgendwie musste er Gorbatschow warnen –, tauchte ein feminin wirkender Mann mit durchscheinenden Augenlidern und einer Kinnpartie wie aus Porzellan an der Tür auf. In dem altmodischen Anzug aus Synthetik mit breitem Revers und ausgebeulter Hose wirkte er inmitten der Stammgäste, die englischen Flanell mit italienischem Schnitt bevorzugten, äußerst fehl am Platz. Jewgeni fragte sich, wie der Homo sovieticas, denn so hatte er ihn spontan getauft, es wohl an den Türstehern vorbei geschafft hatte. Der Mann spähte durch die Schwaden von Zigarrenrauch in der dämmrigen Bar, als wäre er mit jemandem verabredet. Als sein Blick auf Jewgeni fiel, der an einem kleinen Tisch in der Ecke saß, öffnete er den Mund, als hätte er gefunden, was er suchte. Er durchquerte den Raum und sagte: »Sind Sie Jewgeni Alexandrowitsch Tsipin?«
    »Kommt darauf an, wer das wissen will.«
    »Ich bin Iswolski, Nikolai.«
    Jewgeni bedeutete Iswolski, Platz zu nehmen, und fragte: »Möchten Sie was trinken?«
    »Ich trinke niemals Alkohol«, erwiderte Iswolski mit einer gewissen Selbstgefälligkeit, als fühlte er sich aufgrund seiner Abstinenz moralisch überlegen. »Ein Glas Tee vielleicht.«
    Jewgeni winkte dem Kellner, formte mit dem Mund das Wort tschai und wandte sich wieder seinem Gast zu. »Mir wurde gesagt, Sie arbeiten im Zentralkomitee –«
    »Wir müssen diskret sein – die Wände hier haben angeblich Ohren. Jemand mit einer bedeutenden Position in der politischen Führung hat mich angewiesen, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.«
    Eine Tasse Tee und eine Porzellanschale mit italienischem Würfelzucker wurden vor Iswolski hingestellt. Er steckte sich eine Hand voll Zuckerwürfel in die Tasche, beugte sich vor und blies auf seinen

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