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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Schuld dafür zu geben, dass er überstürzt Wirtschaftsreformen in die Wege leitet, ohne die geringste Ahnung zu haben, wohin er das Land führt. Es ist jedoch etwas völlig anderes, ihn anzuklagen, der Handlanger der CIA zu sein. Haben Sie mit dem Generalsekretär darüber gesprochen?«
    »Bei unseren regelmäßigen Besprechungen habe ich mehrere Ansätze gemacht, ihn zu warnen«, erwiderte Krjutschkow. »Jedes Mal ist er mir ins Wort gefallen und hat das Thema gewechselt. Anscheinend will er nicht hören, was ich zu sagen habe. Und die wenigen Male, wo ich tatsächlich etwas länger reden konnte, hat er ungläubig abgewinkt.«
    »Wissentlich oder unwissentlich verkauft Gorbatschow die Sowjetunion an den Teufel«, warf Mathilde mit Inbrunst ein.
    »Das Land steht vor einer Hungerkatastrophe«, vermeldete Ministerpräsident Walentin Pawlow vom anderen Ende des Tisches. »Die Wirtschaft ist nur noch ein heilloses Chaos. Niemand führt irgendwelche Aufträge aus. Fabriken haben Produktionsausfälle, weil ihnen das Rohmaterial fehlt. Die Bauern können nicht ernten, weil keine Ersatzteile für Traktoren da sind.«
    »Unsere geliebte Heimat geht vor die Hunde«, bestätigte der für die sowjetischen Bodentruppen verantwortliche General Walentin Warennikow. »Die Steuern sind derart hoch, dass kein Geschäftsmann sie mehr aufbringen kann. Rentner, die ihr ganzes Leben für den Kommunismus gearbeitet haben, können sich von ihrer kargen Rente nicht einmal mehr Tee kaufen.«
    Einer der Apparatschiks des Außenministeriums, Fjodor Lomow, der Urenkel eines berühmten alten Bolschewiken, der nach der Revolution von 1917 der erste Volkskommissar für die Justiz gewesen war, meldete sich zu Wort. »Wie allgemein bekannt ist, haben die jüdischen Architekten den Puschkin-Platz so angelegt, dass der große Puschkin mit dem Rücken zum Kino Rossija stand. Die Symbolik ist niemandem entgangen.« Lomow, ein Mann mit aufgedunsenem Körper und gelben Alkoholflecken in seinem schneeweißen Ziegenbart, sprach weiter. »Die shids und Zionisten sind verantwortlich für Rockmusik, Drogensucht, Aids, Lebensmittelknappheit, Inflation, den Verfall des Rubels, Pornografie im Fernsehen, ja sogar für den Unfall im Kernkraftwerk von Tschernobyl.«
    Und so ging es weiter; die Verschwörer (wie Jewgeni sie insgeheim bezeichnete) machten ihrem Unmut und ihren Ängsten Luft. Die Emotionen überschlugen sich, und manchmal, wenn mehrere durcheinander redeten, musste Krjutschkow sie wieder zur Ordnung rufen.
    »Gorbatschow ist ein Lügner, er hat uns weisgemacht, er wolle nur ein bisschen an der Parteistruktur herumverbessern, aber in Wirklichkeit will er sie zerstören.«
    »Die böswillige Verspottung aller staatlichen Institutionen ist an der Tagesordnung.«
    »Ich spreche aus Erfahrung – die Staatsgewalt hat auf allen Ebenen das Vertrauen der Bevölkerung verloren.«
    »Die staatlichen Kassen sind leer – die Regierung zahlt die Solde fürs Militär und die Pensionen regelmäßig mit Verspätung.«
    »Die Sowjetunion ist im Grunde unregierbar geworden.«
    »Gorbatschows Entscheidung, die sowjetischen Truppen aus Afghanistan abzuziehen, war für das Militär eine Demütigung.«
    »Die drastischen Kürzungen im Militärhaushalt und der klägliche Rest-Etat haben uns in eine schlechte Position gegenüber den Amerikanern nach ihrem Hundert-Stunden-Sieg im Golfkrieg gebracht.«
    Krjutschkow blickte in die Runde und sagte mit ernster Stimme: »Die einzige Lösung sehe ich darin, den Ausnahmezustand auszurufen.«
    »Dem wird Gorbatschow niemals zustimmen«, hielt Pawel Uritzki entgegen.
    »In dem Fall«, fuhr Krjutschkow fort, »müssen wir ihm die Entscheidung abnehmen. Ich bitte alle, die dafür sind, die Hand zu heben.«
    Neunzehn Hände schossen in die Höhe.
    Vom See her drang der Schrei eines Jungen herauf, dessen Boot gekentert war. Die anderen kamen aus allen Richtungen mit ihren Booten herbei und fischten ihn aus dem Wasser.
    »Wenn es an der Zeit ist, unser Projekt zu starten«, sagte Uritzki, »dürfen wir nicht zimperlich sein, wenn dabei Leute über Bord fallen.« Er zog viel sagend die Augenbrauen hoch. Einige am Tisch lachten leise.
    Später, als die Gäste sich verabschiedeten und zu ihren Wagen gingen, nahm Krjutschkow Jewgeni beiseite. »Wir haben einen gemeinsamen Freund, der eine hohe Meinung von Ihnen hat«, sagte der KGB-Chef. »Über Ihre Arbeit in der Zentrale bin ich informiert, bei einem kleinen Kreis von Kollegen genießen

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