Die Company
Tee, um ihn abzukühlen. »Ich habe den Auftrag«, fuhr er mit leiserer Stimme fort, während er nervös seinen Tee umrührte, »Ihnen mitzuteilen, dass ein deutscher Staatsbürger in den kommenden Monaten beträchtliche Summen US-Dollar bei der Dresdner Filiale Ihrer Bank einzahlen wird.«
»Wie ist sein Name?«
»Es genügt, wenn er für Sie der Devisenbeschaffer ist.«
»Wenn Sie mir mit dem Geld vertrauen, können Sie mir doch wohl sagen, wie der Devisenbeschaffer heißt.«
»Es ist keine Frage des Vertrauens, Genosse Tsipin, sondern der Sicherheit.«
Jewgeni nickte mit überzeugender Professionalität, so hoffte er zumindest.
Iswolski zog einen Stift aus der Brusttasche seines Jacketts und schrieb akkurat eine Moskauer Telefonnummer auf eine Serviette. »Das hier ist eine Privatnummer, an die ein Anrufbeantworter angeschlossen ist, den ich tagsüber immer wieder abhöre. Sie brauchen lediglich eine banale Nachricht zu hinterlassen – zum Beispiel, dass ich mir eine bestimmte Fernsehsendung anschauen soll; ich werde Ihre Stimme erkennen und mich mit Ihnen in Verbindung setzen. Fürs Erste sollten Sie Ihre Filiale in Dresden anweisen, ein Konto auf Ihren Namen zu eröffnen. Dann teilen Sie mir Ihre Kontonummer mit. Wenn es so weit ist, dass wir die auf Ihrem Konto eingegangenen Summen zurückführen möchten, teile ich Ihnen mit, wann genau Sie sie an die Hauptgeschäftsstelle Ihrer Bank transferieren sollen.«
Iswolski hob die Tasse an die Lippen und prüfte behutsam, ob der Tee genügend abgekühlt war. Zufrieden mit dem Ergebnis trank er ihn in einem langen Schluck, als wollte er seinen Durst löschen. »Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Einladung, Genosse Tsipin«, sagte er. Und ohne einen Handschlag oder ein Wort des Abschieds stand der Homo sovieticus auf und strebte zur Tür.
Leo Kritzky lauschte aufmerksam, als Jewgeni ihm von seinem Besuch bei Starik und dem Treffen mit den Verschwörern in Perchuschowo erzählte. »Ich hatte Starik gar nicht ernst genommen«, gab Jewgeni zu. »Ich dachte, er deliriert – das ganze Gerede über Juden und Reinigung und Neuanfang. Aber ich habe mich geirrt. Sein Leben hängt an einem seidenen Faden – genauer gesagt am Tropf-, und er schmiedet Intrigen.«
Leo pfiff durch die Zähne. »Was du da erzählst, ist ein Hammer.«
Jewgeni hatte Leo tags zuvor am späten Abend aus einer Telefonzelle angerufen, um mit ihm ein Treffen zu vereinbaren. »Ich muss dich sehen. Morgen früh, wenn möglich«, und so hatten sie sich auf Jewgenis Vorschlag hin nicht weit vom Grab des unbekannten Soldaten an der Kremlmauer getroffen. Jetzt schlenderten sie an Blumenständen und einer Gruppe Touristen vorbei.
»Was hältst du von der Sache?«, fragte Leo.
»Das Treffen in Perchuschowo war keine Diskussionsgruppe«, sagte Jewgeni. »Krjutschkow plant die Machtübernahme. Er ist ein akribischer Mann, und er zieht ganz langsam die Schlinge um Gorbatschows Hals zu.«
»Deine Liste mit Verschwörern liest sich wie das Who’s Who der politischen Spitze. Verteidigungsminister Jasow, der Pressebaron Uritzki, Innenminister Pugo, General Warennikow, Lomow vom Außenministerium, der Vorsitzende des Obersten Sowjets Lukjanow, Ministerpräsident Pawlow.«
»Und nicht zu vergessen, Jewgeni Tsipin«, sagte Jewgeni mit einem nervösen Grinsen.
»Sie wollen über deine Bank riesige Geldsummen aus Deutschland transferieren, um den Putsch zu finanzieren –«
»Und um die Läden zu füllen. Die Verschwörer sind raffiniert, Leo. Wenn sie rasch die Macht übernehmen, mit wenig oder ohne Blutvergießen, und die Massen mit kosmetischen Verbesserungen bestechen, kommen sie wahrscheinlich damit durch.«
Leo blickte seinen Freund an. »Auf wessen Seite stehen wir?«, fragte er halb im Scherz.
Jewgeni lächelte grimmig. »Wir haben die Seiten nicht gewechselt. Wir sind für die Kräfte, die die Genialität und Großzügigkeit des menschlichen Geistes fördern, wir sind gegen reaktionären Nationalismus und Antisemitismus und gegen alle, die den demokratischen Reformen in Russland Steine in den Weg legen. Kurzum, wir sind auf der Seite Gorbatschows.«
»Was erwartest du von mir?«
Jewgeni hakte sich bei Leo ein. »Es ist möglich, dass Krjutschkow mich beobachten lässt. Könnte sein, dass mein Telefon abgehört wird. Vielleicht hat man meine Mitarbeiter bestochen, damit sie über meine Aktivitäten Bericht erstatten.«
Leo begriff, worauf Jewgeni hinauswollte. »All die Jahre warst du
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