Die Company
seinem Platz zurück.
Jelzin sah ihm nach, suchte den Blickkontakt mit Asa und hob resigniert die Schultern.
3 Basel,
Samstag, 15. Juni 1991
I
ch war nicht sicher, ob du kommen würdest.«
»Fast wäre ich auch nicht gekommen. Ich habe es mir zwanzigmal wieder anders überlegt, bevor ich den Flug gebucht habe, und zwanzigmal, bevor ich an Bord der Maschine gegangen bin.«
»Tja, jedenfalls freu ich mich, dich zu sehen, Jack.«
Feuchte Luft wehte vom Rhein herüber und zerzauste Jack McAuliffe die Reste seines einst prächtigen Schnauzbarts und die fahlroten Haarsträhnen, während er seinen Begleiter durch die Sonnenbrille taxierte. Leo, dem in Gegenwart seines ehemaligen Freundes und CIA-Kollegen sichtlich unbehaglich zu Mute war, sah blass und dünn und übermüdet aus; er hatte nicht mehr richtig schlafen können, seit Jewgeni ihm von dem drohenden Putsch erzählt hatte. Jetzt schlug er den Kragen seines Anoraks hoch und zog sich die Schirmmütze über die Ohren, während er blinzelnd zusah, wie zwei Achter mit Steuermann über die Oberfläche des Flusses glitten.
»Ich fand Rudern toll«, sagte Jack. Einen Augenblick lang mussten die beiden Männer an das letzte Rennen auf der Thames und den Triumph über Harvard denken. »Ich habe die Blasen an den Händen und die stechenden Schmerzen an der Rippe genossen, die ich ein paarmal gebrochen hatte«, fügte Jack hinzu. »Da wusste man, dass man lebendig war.«
Die schwachen Rufe der Steuermänner, die die Ruderschläge zählten, trieben mit der Brise zu ihnen herüber. Leo lachte. »Coach Waltz hat immer gesagt, Rudern sei eine Metapher für das Leben.« Mit einem wehmütigen Lächeln wandte er sich Jack zu.
»So ein Schwachsinn – Rudern war keine Metapher für das Leben, es war ein Ersatz. Beim Rudern musste man nicht an das Leben denken. Doch sobald man aufhörte, lauerte die Realität im Hinterhalt.«
Die beiden Männer schlenderten weiter am Ufer des Rheins entlang. »Und was war deine Realität, Leo?«
»Stella. Und ihr sowjetischer Führungsoffizier, der mir meine erste Lektion in Chiffriercodes und toten Briefkästen erteilte und mir die Anweisung gab, mich in Waltz’ Nähe zu halten, weil er Talentsucher für die Company war.«
»Hat der Mistkerl tatsächlich Company gesagt?«
Leo lächelte düster. »Er hat sie glawni protiwnik genannt, was im Russischen ›Hauptgegner‹ heißt.« Er ging eine Weile schweigend weiter. Dann sagte er: »Das alles ist Schnee von gestern.«
»Absolut nicht, Kumpel. Nur weil du dich Offizier schimpfst, bist du noch lange kein Gentleman. Du bist und bleibst ein mieser Verräter.«
»Wann geht es endlich in deinen Schädel, dass ich niemanden verraten habe? Ich habe die ganze Zeit für meine Seite gekämpft.«
»Ach hör doch auf, du hast für den Stalinismus gekämpft.«
»Lass doch endlich gut sein.«
Jack ließ nicht locker. »Ich nehme an, sie haben dir einen Orden verliehen, als sie dich zurückgeholt haben.«
»Sogar zwei, wenn du’s genau wissen willst.«
Die beiden Männer funkelten einander zornig an. Jack blieb stehen. »Hör zu, du hast um das Treffen hier gebeten. Wenn du es abblasen willst, von mir aus.«
Leo war noch immer wütend. »Ich soll dir Informationen geben.«
»Schieß los, und wir gehen wieder getrennte Wege.« Jack senkte das Kinn und blickte Leo über den Rand seiner Sonnenbrille an. »Du warst verdammt sicher, dass wir dich nicht einkassieren und außer Landes schleusen, wenn du in der Schweiz aufkreuzt, nicht?«
»Wem willst du was vormachen, Jack? Wenn ihr mich zurückholen würdet, müsstet ihr erklären, warum ihr die Aufsichtskomitees des Kongresses vor siebeneinhalb Jahren nicht über mich informiert habt.«
»Du hast an alles gedacht.«
Leo schüttelte den Kopf. »Nein, weiß Gott nicht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Adelle auf einem Hügel in Maryland ihren Rausch ausschlafen würde.«
»Ein paar von uns waren auf ihrer Beerdigung«, sagte Jack.
»Für die Zwillinge muss es …«
»Ja. Sie waren traurig und verbittert und beschämt, alles zusammen.« Leos Brust hob und senkte sich. Jack gab etwas nach. »Alles in allem«, sagte er, »haben deine Töchter sich tapfer gehalten.«
Plötzlich stellte sich ein Stück vor ihnen eine Touristenfotografin in Positur, hob eine Polaroid-Kamera ans Auge und drückte auf den Auslöser. Leo schritt auf die Frau zu und fasste sie am Arm. »Was fällt Ihnen ein?«, rief er.
Die Fotografin, eine dünne, junge Frau
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