Die Company
haben.«
»Ich werde die Warnung natürlich an Gorbatschow weitergeben, aber er wird sie nicht ernst nehmen, wenn ich die Informationsquelle nicht nennen kann; er wird denken, ich wollte bloß einen Keil zwischen ihn und die Parteitreuen treiben.«
Asa sagte: »Aber Sie glauben doch, was ich Ihnen erzählt habe, nicht wahr, Boris Nikolajewitsch?«
Jelzin nickte. »Ehrlich gesagt, ich bin ziemlich überrascht, wie viele und welche hochrangigen Leute sich den Putschisten angeschlossen haben, aber ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass Krjutschkow Gorbatschow verdrängen würde, wenn er könnte. Man darf nicht vergessen, dass Krjutschkow an der Planung des Angriffs der Roten Armee auf Budapest 1956 und auf Prag 1968 beteiligt war. Er gehört fraglos zu den Erzkonservativen, die denken, dass sich mit der richtigen Dosis Gewalt zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort der Geist wieder in die Flasche zurückrufen lässt.« Jelzin seufzte. »Selbstverständlich werde ich Ihren Namen nicht erwähnen, wenn ich Gorbatschow warne. Aber Sie müssen mit Ihrem Bekannten in Verbindung bleiben. Seine Kollaboration wird in den kommenden Wochen und Monaten von entscheidender Bedeutung sein.«
Die Reden nach dem Diner nahmen kein Ende; russische Bürokraten ließen sich, wenn sie einen bestimmten Alkoholpegel erreicht hatten, gern von Emotionen mitreißen. Das Staatsbankett im Kreml fand zu Ehren von Walentina Wladimirowna Tereschkowa statt, der russischen Kosmonautin, die als erste Frau im Weltall gewesen war.
»Walentina Wladimirowna«, sagte der Leiter der Raumfahrtbehörde, während er sich mit einem Taschentuch die Schweißperlen von der glänzenden Stirn tupfte, »hat der ganzen Welt vor Augen geführt, was sowjetischer Mut, sowjetische Technologie und Ideologie im unaufhörlichen Kampf um die Eroberung des Weltraums leisten kann. Auf Walentina Wladimirowna«, rief der Redner und hob sein Glas in ihre Richtung.
Die Gäste an dem hufeisenförmigen Banketttisch standen auf und hielten ihre Gläser in die Höhe. »Auf Walentina Wladimirowna«, riefen sie im Chor, bevor sie den bulgarischen Champagner hinunterstürzten.
Asa, ganz am Ende des Tisches, betrachtete das von Alkohol und der stickigen Luft gerötete Gesicht der Tereschkowa. Asa selbst nippte nur an ihrem Champagner, wenn wieder einmal ein Toast ausgesprochen wurde, aber trotzdem war sie schon leicht benebelt. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es sein mochte, eingezwängt in einer Kapsel in die Erdumlaufbahn geschossen zu werden. Sicher brachte das Erfahrungen mit sich, die das Leben veränderten, wenn man sie überstand; danach konnte nichts mehr so sein wie zuvor. Vielleicht lag es an der späten Stunde – die Kremluhr hatte gerade Mitternacht geschlagen – oder an der schlechten Luft oder dem Alkohol, aber Asa wusste plötzlich, dass die seltenen Begegnungen, die sie im Lauf ihres Lebens mit Jewgeni gehabt hatte, ihr Leben verändert hatten. Rückblickend erkannte sie, dass sie ihrem ersten und einzigen Ehemann niemals die Chance gegeben hatte, dem Vergleich standzuhalten, als sie von Scheidung sprach. Aber welchem Vergleich? Dem Vergleich mit dem überwältigenden Erlebnis, wenn zwei Seelen sich vereinen und dann zwei Körper miteinander verschmelzen und die Frau sich nicht hinterher betrogen vorkommt?
Noch mehr Reden und Trinksprüche folgten. Asa sah, dass Boris Jelzin, der mit der Faust ein Gähnen unterdrückte, aufstand, ans Kopfende des Tisches ging, hinter die Tereschkowa trat und ihr etwas ins Ohr flüsterte, was sie zum Lachen brachte. Jelzin tätschelte ihr die Schulter und schlenderte dann weiter zu Gorbatschows Platz. Er beugte sich hinab und sagte etwas, das Gorbatschow sich scharf auf seinem Stuhl umwenden ließ. Jelzin deutete mit dem Kopf in eine Ecke des Saals. Gorbatschow überlegte, stand auf und folgte ihm mit sichtlichem Widerwillen dorthin. Asa beobachtete, dass Jelzin einige Minuten lang eindringlich auf Gorbatschow einsprach. Der Generalsekretär hörte unbewegt zu, den Kopf zur Seite geneigt, die Augen beinahe geschlossen. Einmal stieß Jelzin Gorbatschow mehrmals mit dem Zeigefinger gegen die Schulter, um einen Punkt seiner Rede zu unterstreichen. Als Jelzin zum Ende gekommen war, öffnete Gorbatschow die Augen; es war ihm deutlich anzusehen, dass er wütend war. Das große Muttermal auf seiner Stirn schimmerte rot. Mit ruckartigen Kopfbewegungen knurrte er eine barsche Antwort. Dann drehte er sich abrupt um und ging zu
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