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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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geben würde.« Anthony blickte seinen Vater neugierig an. »Warst du Anfang der Woche verreist, Dad? Ich habe dich ein paarmal angerufen, aber von deiner Sekretärin nur den üblichen Spruch zu hören bekommen, du wärst außer Haus, aber du hast nicht zurückgerufen.«
    »Ich musste in die Schweiz, um mit jemandem zu sprechen.«
    »Schon kapiert.«
    »Was hast du schon kapiert?«
    »Dass ich keine weiteren Fragen stellen soll.«
    Jack musste lächeln. »Ich beantworte dir eine davon – aber du musst es für dich behalten. Nicht mal Maria darf es erfahren. Das heißt, Maria schon gar nicht. Es hätte uns gerade noch gefehlt, dass Journalisten herumschnüffeln, weil sie eine Story wittern.«
    Anthony lachte. »Ich kann schweigen wie ein Grab.«
    Jack senkte die Stimme. »Ich habe mich in der Schweiz mit deinem Patenonkel getroffen.«
    Anthony machte große Augen. »Du hast dich mit Leo getroffen? Wieso? Wer hat das Treffen angeleiert? Was hat er erzählt? Wie geht’ s ihm? Wie lebt er?«
    »Beruhige dich«, sagte Jack. »Ich kann dir nur sagen, dass es ihm einigermaßen gut geht. Ich weiß ja, wie sehr du an ihm gehangen hast.«
    »Wie ist er aus Russland rausgekommen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht mit seinem russischen Pass nach Sofia oder Prag und dann mit einem falschen westlichen Pass weiter in die Schweiz – die kriegt man zurzeit in Moskau nachgeworfen.«
    »Dann wollte er also nicht, dass der KGB von seinem Treffen mit dir erfährt.«
    »Da weißt du mehr als ich, Anthony.«
    »Dad, das wäre das allererste Mal, dass ich mehr wüsste als du.«
    »Schmeicheleien ziehen bei mir nicht.«
    »Siehst du ihn wieder?«
    »Nein.«
    »Nie wieder?«
    »Nie wieder.«
    »Hat er gesagt … dass er irgendwas bereut?«
    »Das mit Adelle tut ihm Leid. Und dass er die Zwillinge nicht sieht.« Jack nahm seine Brille und massierte sich mit Daumen und Mittelfinger den Nasenrücken. »Ich vermute, es tut ihm Leid, dass er dreißig Jahre seines Lebens für die falsche Seite gekämpft hat.«
    »Hat er das angedeutet?«
    »Nein.«
    »Wie kommst du dann darauf?«
    »Man kann nicht in der Sowjetunion leben – erst recht nicht, wenn man vorher in den Vereinigten Staaten gelebt hat – und nicht begreifen, dass es die falsche Seite ist.«
    Anthony blickte seinen Vater eindringlich an, und er sah den Schmerz in seinen Augen. »Er hat dich sehr verletzt, nicht?«
    »Er war mein Steuermann, als ich in Yale gerudert habe. Er war mein bester Freund. Er war mein Trauzeuge, und er ist der Patenonkel meines Sohnes. Verdammt – ich habe den Kerl geliebt, Anthony. Und ich hasse ihn dafür, dass er unsere Freundschaft verraten hat, von seinem Land mal ganz zu schweigen.«
    Anthony packte seinen Vater fest am Arm und tat etwas, das er seit seiner Kindheit nicht mehr getan hatte. Er gab ihm einen Kuss auf die Wange. »An Leo habe ich gehangen«, sagte er leise. »Aber dich liebe ich, Dad. Du bist einfach toll.«
     
    Auf zwei Stöcke gestützt und mit sichtlichen Schmerzen bei jedem Schritt, näherte sich Ezra Ben Ezra, in Geheimdienstkreisen als der Rabbi bekannt, dem Zaun. Harvey Torriti trat zu ihm, und die beiden betrachteten die Ruine der ausgebombten Frauenkirche. »Im Februar ’45 haben alliierte Bomberverbände Dresden in ein brennendes Inferno verwandelt«, sagte der Rabbi nachdenklich. »Die Deutschen haben die Stadt wieder aufgebaut, nur diese Ruine haben sie als Mahnmal stehen lassen.«
    »Und was empfindet ein Jude, wenn er dieses Mahnmal sieht?«, fragte der Zauberer seinen alten Kampfgenossen.
    Der Rabbi überlegte. »Genugtuung empfindet er. Ha! Du hast vielleicht Mitgefühl erwartet. Oder schlimmer noch, Vergebung. Das Mahnmal erinnert mich an die Millionen Opfer der Konzentrationslager. Es erinnert, mich daran, dass die Kirchen nichts unternommen haben, um diese Todesfabriken zu stoppen. In der Tora findet sich eine Formel, die Opfern eine Gebrauchsanweisung liefert, um emotional zu überleben. Auge um Auge, Zahn um Zahn, Brandmal um Brandmal. «
    Ben Ezra drehte sich mit Mühe um und ging zurück zu dem schwarzen Mercedes, der von Mossad-Agenten umringt war, die die Dächer der Häuser auf der anderen Straßenseite im Auge behielten. Torriti tat es in der Seele weh, wie sein Freund sich mit den Stöcken abquälte. »Es tut mir so Leid, dass deine Hüften dir derartige Schmerzen bereiten«, sagte er.
    »Der physische Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem psychischen. Wie viele Menschen kennst du, die in einem Land leben, das

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