Die Company
es in fünfzig Jahren vielleicht nicht mehr gibt? Aber genug davon. Warum bin ich hier?«
»Du bist hier«, sagte der Zauberer, »weil Israel Monat für Monat fünfzehntausend Juden aus der Sowjetunion bekommt. Du bist hier, weil du nicht willst, dass dieser Strom versiegt. Und das würde er, wenn Gorbatschow von einer Bande erzkonservativer Nationalisten und Antisemiten gestürzt wird.«
Der Rabbi lauschte aufmerksam, als Torriti ihm die Einzelheiten des geplanten Putsches gegen Gorbatschow schilderte, und stellte zwischendurch gezielte Fragen. Warum hatte die CIA sich nicht direkt an den Mossad gewandt? Wie war die Tatsache zu deuten, dass der Zauberer, der doch seinen wohlverdienten Ruhestand genoss, wieder mobilisiert worden war? Hatte die Company oder einer ihrer Mitarbeiter etwa eine Operation im Sinn, die außerhalb ihrer legalen Möglichkeiten lag?
»Ha!«, schnaubte Ben Ezra. »Hab ich’s mir doch gedacht – wie weit außerhalb der Legalität?«
Die beiden Männer erreichten die Limousine, und der Rabbi ließ sich mit beträchtlicher Anstrengung auf den Rücksitz sinken, bevor er erst das eine, dann das andere Bein ins Innere schwang. Der Zauberer stieg auf der anderen Seite ein. Die Mossad-Agenten blieben draußen, mit dem Rücken zum Wagen, und taxierten durch dunkle Sonnenbrillen die Passanten und vorbeifahrenden Autos.
Der Rabbi (der in wenigen Monaten in den Ruhestand gehen würde; sein Nachfolger an der Spitze des Mossad war bereits ernannt) seufzte. »Also, noch mal im Klartext«, sagte er. »Wir sollen einen Deutschen aufspüren, den du nur als den Devisenbeschaffer kennst, und ihn neutralisieren.«
»Das ist der Anfang, ja.«
»Wir sollen einen Fuß in die Tür der Dresdner Filiale der Großen Russischen Handelsbank setzen, um an die Gelder ranzukommen, die der Devisenbeschaffer möglicherweise dort gehortet hat.«
»Ein hübsches Sümmchen«, sagte Torriti.
»Was nennst du ein hübsches Sümmchen?«
»Irgendwas zwischen dreihundert und fünfhundert Millionen.«
»Dollar?«
»Hätte ich mich aus meinem süßen Rentnerdasein reißen lassen, wenn es Yen wären?«
Der Rabbi verzog keine Miene. »Wenn es mir gelingt, die Bank zu plündern, machen wir halbe-halbe; mein Anteil geht in einen Fonds zur Finanzierung der Auswanderung sowjetischer Juden via Österreich nach Israel, dein Anteil geht auf eine Reihe geheimer Schweizer Nummernkonten.«
Einer der Mossad-Agenten klopfte an die Scheibe und zeigte auf seine Armbanduhr. Ben Ezra drohte ihm väterlich mit dem Finger. Der Agent wandte sich frustriert ab und schnarrte etwas in ein winziges Mikro an der Innenseite seines rechten Handgelenks.
»Diese neue Generation ist einfach viel zu ungeduldig«, sagte Ben Ezra zu Torriti. »Sie verwechselt Aktion mit Bewegung. Zu meiner Zeit habe ich wochenlang Häuser in Berlin überwacht, und das nur in der Hoffnung, einen der Deutschen auf Israels Fahndungslisten zu Gesicht zu bekommen, Harvey. Wo waren wir?«
»Da, wo wir schon immer waren, mein Freund«, sagte Torriti mit einem rauen Lachen. »Wir überlegen, wie wir die Welt vor sich selbst retten können. Da ist noch etwas, das du für mich tun kannst, Ezra.«
»Ich habe mir schon gedacht, dass da noch was kommt.«
»Ich habe läuten hören, dass es in Moskau eine Unterwelt gibt – eine Art Russenmafia. Wenn sie auch nur annähernd mit der Mafia in Amerika vergleichbar ist, könnte ich mir denken, dass da auch ein paar Juden mitmischen. Und dass du mich mit einem von ihnen in Verbindung bringen kannst.«
»Was genau suchst du, Harvey?«
»Ich suche einen russischen Gangster jüdischer Überzeugung, der mit anderen russischen Gangstern zu tun hat, die keine Scheu haben, sich die Hände schmutzig zu machen.«
»Schmutzig im Sinne von blutig?«
»Ganz genau.«
Nach seinem jahrzehntelangen Kampf gegen das »Reich des Bösen« aus der Ferne war Harvey Torriti schließlich im Herzen der Finsternis gelandet. Vom Moskauer Flughafen war er zum Kutusowski-Prospekt gefahren, wo er sich im Hotel Ukraine, einem von Stalins schauerlichen Ungetümen mit tausend Zimmern, unter dem Namen T. Harvey, Vertreter für landwirtschaftliche Maschinen aus Moline, Illinois, einquartiert hatte. Er bestellte sich eine Flasche Scotch, die eineinviertel Stunden später gebracht wurde, goss sich ein angeschlagenes Wasserglas randvoll ein und begann seine Besichtigungstour des Sozialismus im Badezimmer.
Die Klobrille aus dünnem Plastik blieb nur oben, wenn man sie
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