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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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mit einem Knie festhielt. Der einst durchsichtige Duschvorhang war vergilbt. Auf dem rissigen Waschbecken lag das kleinste Stück Seife, das der Zauberer je gesehen hatte. Die Armaturen von Waschbecken und Badewanne funktionierten zwar, doch aus den Hähnen ergoss sich mit einem beunruhigend menschlichen Gurgeln eine fäkalbraune Brühe, die nur entfernt Ähnlichkeit mit Wasser hatte. Das Bett in seinem Zimmer hatte ein so kurzes Laken, dass es sich nicht unter die Matratze stecken ließ; die Matratze selbst hatte auffällige Ähnlichkeit mit einem Motocrossgelände. Wenn man den Fernseher einschaltete, kam nur Schnee, an der Decke hing eine umgedrehte Glasschüssel, die als Urne für eingeäscherte Insekten diente, und im Kleiderschrank war das reinste Nichts. Keine Stange, kein Bügel. Kein Haken oder Regalbrett. An einer Wand, neben einem Schreibtisch, in dessen Schubladen nichts als Schimmel war, stand ein kleiner Kühlschrank, der eine ausgesprochen große und ausgesprochen tote Wasserwanze beherbergte. Torriti, auf allen vieren, suchte vergeblich nach etwas, das auch nur annähernd wie ein Elektrokabel aussah und vom Kühlschrank zu einer Steckdose führte; er vermutete, dass das der Grund für die mangelnde Kühltätigkeit des Gerätes war. (Am Ende spülte er die Wasserwanze nach drei Anläufen im Klo hinunter und benutzte den Kühlschrank zum Lagern seiner Socken und Unterwäsche.) An der Tür des Zimmers hingen Anweisungen auf Englisch und Russisch, was im Falle eines Brandes zu tun war; eine Reihe von Pfeilen zeigte dem um sein Leben bangenden Gast, wie er durch das Labyrinth von in Flammen stehenden Fluren zu einer Feuerschutztür fand. Ohne die Karte in der Hand – ein Ding der Unmöglichkeit, weil sie hinter Plexiglas an die Tür festgeschraubt war – war jede Flucht ausgeschlossen.
    »Ich habe die Zukunft gesehen«, brummte Torriti laut, »und sie verlangt Arbeit!«
    Der Zauberer hatte seine ersten Eindrücke noch nicht ganz verdaut – konnte das wirklich der sozialistische Prototyp sein, der angedroht hatte, die westlichen Demokratien (um Chruschtschow zu zitieren) zu »begraben«? –, als er hinaus in den kühlen Moskauer Abend trat.
    Nach alter Gewohnheit – der KGB mochte ja demoralisiert sein und einen mickrigen Etat haben, aber es gab ihn noch – verschwand er zwischen zwei Gebäuden auf dem Arbat und wartete im Schatten hinter einem Abfallbehälter, um zu sehen, ob er verfolgt wurde, stapfte dann durch ein Labyrinth aus kleinen Sträßchen voll mit Wellblechgaragen, bis er auf einen breiten Boulevard kam. Er trat auf die Straße, hob einen Zeigefinger, und fast im selben Moment hielt mit kreischenden Reifen ein Privatwagen neben ihm. Torriti hatte Mühe, seine Leibesfülle durch die hintere Tür des Fiat zu zwängen, und sobald er es geschafft hatte, holte er den Zettel mit der kyrillisch notierten Adresse und einen Zehn-Dollar-Schein hervor. Der Fahrer, ein junger Mann mit Aknenarben im Gesicht, erwies sich als russischer Kamikaze; er riss Torriti Zettel und Geldschein aus den Fingern und brauste wie von der Tarantel gestochen durch den dichten Verkehr. Torriti, eingekeilt auf dem Rücksitz, schloss die Augen und kämpfte gegen die in ihm aufsteigende Übelkeit. Nach einer halben Ewigkeit hörte er Bremsen quietschen und spürte, wie der Wagen rutschend zum Stehen kam. Er stieß die Tür auf, ging mit einer Behändigkeit von Bord, die auf Panik zurückzuführen war, und roch verbranntes Gummi in der Luft. Es dauerte einige Sekunden, bis er wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Dann zog er sich einen mottenzerfressenen Schal fester um den Hals und ging in Richtung der strahlenden Lichter des Parks für Kultur und Erholung, eines riesigen Vergnügungszentrums am Rand der Stadt, wo im Winter ganze Straßenzüge überflutet wurden, damit die Leute dort kilometerweit eislaufen konnten.
    Noch im Frühling, wenn das Eis geschmolzen war, so hatte man Torriti erzählt, standen am Rand der Straßen große Tonnen, in denen Feuer loderten. Dem Zauberer schmerzten die Füße, als er schließlich zum vierten Feuer von rechts watschelte. Ein paar Jogger und Rollschuhläufer standen drumherum und wärmten sich die Hände, während sie, fröhlich plaudernd, einen Flachmann kreisen ließen. Ein dünner, mittelgroßer Mann mit Anorak und Schirmmütze kam von der Straße zu der Tonne und hielt die Hände über das Feuer. Kurz darauf blickte er Torriti eindringlich an. Dann drehte er sich um und ging

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