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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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weiter. Der Zauberer zog einen Flachmann aus der Jackentasche und stärkte sich mit einem Schluck billigen Whiskey. Innerlich aufgewärmt, schlenderte er gemächlich hinter dem Mann im Anorak her. Schließlich holte er ihn zwischen einigen pechschwarzen Kiefern ein.
    »Sind Sie das, Kritzky?«, fragte Torriti.
    Der Tonfall ärgerte Leo. »Sie haben sich nicht verändert«, entgegnete er.
    »Und ob ich mich verändert habe, Freundchen. Fetter. Älter. Klüger. Einsamer. Nervöser. Mehr Angst vorm Sterben. Weniger Angst vor dem Tod.«
    »Ich sehe Sie noch vor mir in Ihrer Glanzzeit«, sagte Leo. »Ich weiß noch, wie Sie Bobby Kennedy irgendeine Geheimmeldung, die über den Ticker gekommen war, aus der Hand gerissen haben – das war kurz nach der Schweinebucht-Geschichte. Ich weiß noch, wie Sie ihm gesagt haben, er könnte Sie mal.«
    »Das war ein großer Fehler«, gab Torriti zu.
    »Wieso?«
    »Bobby war ein Mistkerl, na schön, aber er war kein russischer Spion. Sie dagegen wohl. Wahrscheinlich war ich da schon nicht mehr ganz auf der Höhe, dass ich das nicht gesehen habe. Ich hätte Ihnen sagen sollen, Sie können mich mal.«
    »Tja. Und jetzt sind wir hier.«
    »Jetzt sind wir hier.«
    »Trinken Sie noch immer von morgens bis abends?«
    »Lügen Sie noch immer von morgens bis abends?«
    Leo rang sich ein unglückliches Lächeln ab. »Behandeln Sie Ihre Informanten immer so?«
    »Mein Lehrling hat gesagt, Sie hätten Kontakt zu einem Maulwurf im Kreis der Gorbatschow-Verschwörer. Er hat gesagt, ich soll Sie melken. Er hat nichts davon gesagt, dass ich mit Ihnen ins Bett steigen soll.«
    Leo trat näher an den Zauberer heran und gab ihm einen alten Briefumschlag mit einer Einkaufsliste auf der einen Seite. »Hier sind noch sieben weitere Namen, zusätzlich zu denen, die ich Jack gegeben habe«, sagte er. »Sie stehen auf der Innenseite des Umschlags mit Zitronensaft geschrieben. Sie gehen mit einem Bügeleisen drüber –«
    Torriti war pikiert. »Ich bin nicht von gestern. Ich habe schon mit der Methode gearbeitet, bevor Sie für die Russen spioniert haben.«
    »Einer der neuen Verschwörer ist der Kommandeur der Eliteeinheit in der Rjasan-Luftlandedivision«, fuhr Leo unbeirrt fort. »Ein weiterer ist der Kommandeur der Dserschinski-Abteilung des KGB. Außerdem haben die Verschwörer Verbindung zu reaktionären nationalistischen Gruppierungen in ganz Europa aufgenommen. Zum Beispiel zu einer Gruppe in Madrid, die sich 21. August nennt. Ebenso zur Front National von Le Pen sowie zu Splittergruppen in Deutschland, Italien, Österreich, Serbien, Kroatien, Rumänien und Polen. Es ist geplant, diese Gruppen finanziell zu unterstützen, sobald sämtliche Gelder auf die Dresdner Filiale der Großen Russischen Handelsbank transferiert wurden. Ziel ist es, eine Welle internationaler Unterstützung für den Staatsstreich gegen Gorbatschow zu inszenieren. Gorbatschow soll als Stümper hingestellt werden, der Russland in den Ruin treibt, und der Putsch soll als patriotischer Versuch dastehen, das Land wieder auf die Beine zu bringen. Wenn in ganz Europa Stimmen laut werden, die in dieselbe Kerbe schlagen, kommt die Öffentlichkeit vielleicht zu dem Schluss, dass da etwas dran ist.«
    Der Zauberer zerknüllte den Briefumschlag und steckte ihn in die Tasche. »Wo, wann treffen wir uns wieder?«, wollte er wissen.
    »Wo wohnen Sie?«
    Torriti nannte ihm das Hotel.
    »Als was haben Sie sich ausgegeben?«
    »Ich bin Handelsvertreter, mit einem Koffer voller Prospekte über landwirtschaftliche Maschinen. Wenn ich nicht gerade trinke, versuche ich, jemanden aufzutreiben, der amerikanische Traktoren importieren möchte.«
    Leo überlegte einen Moment. »Schön. Wenn ich meine, dass wir uns treffen müssen, lasse ich ihnen eine Flasche Scotch aufs Zimmer bringen, mit einer Nachricht, in der ich mich für das Prospektmaterial bedanke. Die Nachricht wird mit Tinte geschrieben sein. Zwischen den Zeilen schreibe ich mit Zitronensaft, wann Sie mich wo finden können.«
     
    Im Vergleich zum Hotel Drushba nahm sich das Ukraine wie das Ritz aus, dachte der Zauberer, als er durch die Spiegeltür in die schäbige Halle trat: matte Spiegel an den Wänden und Fenstervorhänge, die von der Decke bis zum Boden reichten und bestimmt vor der Revolution aufgehängt und seitdem nicht mehr gereinigt worden waren. Verblichen wäre geschmeichelt ausgedrückt. Ein Alptraum für jeden Gast mit einer Stauballergie. Auf dem Weg zur Rezeption vollführte

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