Die Company
tief in der Tasche seines Blazers vergraben hatte, kehrte zu seinem Platz am Kopfende des Tisches zurück. »Ein Freund von Ben Ezra –«, sagte er und winkte mit seiner intakten Hand, um anzudeuten, dass es sich wohl erübrigte, den Satz zu beenden. »Was erhoffen Sie sich in Ihren schönsten Träumen von mir?«
Torriti warf einen raschen Blick auf die Bodyguards an der Wand. Rappaport spitzte die Lippen, was ihn gnomenhaft wirken ließ. »Meine Schutzengel sind Uiguren«, informierte er den Zauberer. »Sie sprechen nur Türkisch.«
»In meinen schönsten Träumen sehe ich, dass Sie acht oder zehn Leute für mich umbringen lassen.«
Rappaport zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Eine solche Direktheit nötigt mir Respekt ab. In Russland drücken sich die Menschen unbestimmter aus. Also: Derzeit liegt der Preis dafür, jemanden umbringen zu lassen, zwischen fünfzehn- und fünfundzwanzigtausend amerikanischen Dollar, je nachdem.«
»Wovon hängt es ab?«
»Wie wichtig die Person ist, was wiederum darauf schließen lässt, wie stark sie wahrscheinlich beschützt wird.«
Der Zauberer fragte nur halb im Scherz: »Da Sie Jude sind und ich ein Freund des Rabbi – kriege ich da keinen Rabatt?«
»Mit dem Honorar, das ich von Ihnen verlange, werde ich diejenigen bezahlen, denen es mehr als gleichgültig ist, dass ich Jude bin und Sie vom Rabbi geschickt wurden«, sagte Rappaport ruhig. » Mein Honorar werde ich direkt mit Ben Ezra abrechnen.«
Torriti wurde nicht recht schlau aus Rappaport. Wie konnte aus einem so offensichtlich vornehmen Mann ein Boss der Moskauer Unterwelt werden? Er kam zu dem Schluss, dass es hilfreich wäre, mehr über seinen Gastgeber zu erfahren. »Man hat Sie schon mal in der Mangel gehabt«, bemerkte er. »Ich hab die Finger gesehen.«
»Sie haben das Fehlen von Fingern gesehen. Wie eigentümlich Sie sich ausdrücken – ja, man hat mich in der Mangel gehabt. Wenn man Russland verstehen will, muss man wissen, dass der normale russische Antisemit nur entfernt mit dem westlichen Antisemiten verwandt ist. Hier reicht es nicht, Juden zu schikanieren, indem man sie aus Musikschulen oder Wohnungen oder Städten oder sogar aus dem Land vertreibt. Hier ist man erst zufrieden, wenn man eine Axt wetzen und sie dir persönlich ins Fleisch schlagen kann.« Rappaport wollte weiterreden, doch dann winkte er mit seiner intakten Hand ab; auch dieser Satz musste nicht beendet werden. »Jetzt zu Ihrer Bitte: Sie haben doch bestimmt eine Liste?«
Torriti holte eine Ansichtskarte hervor. Einer der Leibwächter nahm sie entgegen und brachte sie Rappaport, der sich das Foto ansah, die Karte umdrehte und die auf der Rückseite aufgelisteten Namen überflog. »Sie sind ein seriöser Mann mit einem seriösen Anliegen«, sagte er. »Erlauben Sie mir, einige Fragen zu stellen.«
»Nur zu.«
»Müssen die Leute auf der Liste gleichzeitig getötet werden, oder würde es genügen, sie über einen Zeitraum von Tagen oder Wochen auszuschalten?«
»Ein Zeitraum von Minuten wäre kein Problem.«
»Ich verstehe.«
» Was verstehen Sie?«
»Ich verstehe, dass all die Leute auf Ihrer Liste in einer Weise miteinander verbunden sind, über die ich nur Mutmaßungen anstellen kann.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an.«
»Es handelt sich sehr wahrscheinlich um Verbündete in einem Komplott. Und Sie möchten vermeiden, dass der Tod von einem von ihnen die anderen warnt, dass auch ihr Leben in Gefahr ist. Sie möchten sie ausschalten, um das Komplott zu verhindern.«
»Sie sehen aber schrecklich viel in einer Liste von Namen.«
»Ich sehe noch mehr.«
»Und das wäre?«
»Dass Sie zu mir kommen und nicht zu einer anderen einflussreichen Person, dass Sie mit dem Segen von Ezra Ben Ezra kommen, was nur bedeuten kann, dass das fragliche Komplott für den Staat Israel äußerst unangenehm wäre. Und äußerst unangenehm für Israel wäre einzig und allein, wenn der Emigrantenstrom russischer Juden nach Israel versiegen würde, wodurch der jüdische Staat in demographischer Hinsicht gegenüber seinen palästinensischen Nachbarn auf Dauer im Nachteil wäre.«
Der Zauberer war beeindruckt. »Das alles entnehmen Sie einer kleinen Liste!«
»Ich habe nur die Oberfläche angekratzt. Da Michail Gorbatschow die Politik unterstützt, die die Auswanderung russischer Juden ermöglicht, muss das Komplott zum Ziel haben, ihn aus seiner Machtposition zu entfernen. Kurzum, es geht um einen Putsch gegen die derzeitige Regierung, und die
Weitere Kostenlose Bücher