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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Selbstverständlich würde sie nicht bei der CIA bleiben können. Nicht etwa, weil sie geredet hatte, sondern weil es bei ihr eine Schwachstelle gab, und die Company musste Menschen mit solchen Schwachstellen von vornherein ausschließen. Sobald sie wiederhergestellt war, sollte sie eine kleine Abfindung erhalten und in einer ungefährlicheren Sicherheitsabteilung eingesetzt werden, entweder im Außen- oder Verteidigungsministerium.
    Als die Rekruten gegen Ende der Woche ihre Sachen packten, kam ein Schwung Neulinge an. Zufällig kannten Jack und Leo zwei von ihnen aus Yale.
    »Na und, wie hart ist es?«, wollte der eine wissen.
    »Das reinste Kinderspiel«, sagte Jack.
    »Leichter, als einen Eimer Wasser umzukippen«, bestätigte Leo.
    Beide versuchten sie zu lächeln. Aber keiner von ihnen konnte die Muskeln bewegen, die dafür gebraucht wurden.

 
    2 Moskau,
Dienstag, 5. September 1950

    D
    ergleichen hatte Moskau seit einem halben Jahrhundert nicht mehr erlebt. Eine Hitzewelle war aus der Kara-Kum-Wüste in Turkmenien herangeweht und hatte die Hauptstadt in einen glühenden Kessel verwandelt. Tausende Moskowiter suchten im verdreckten Wasser der Moskwa Erfrischung. Jewgeni hatte am späten Nachmittag Zuflucht bei einem Drink in der Bar des Hotel Metropole unweit des Roten Platzes gefunden und heftig mit einer hübschen österreichischen Austauschstudentin geflirtet. Doch dann fiel sein Blick auf die Uhr.
    Nach einem vergeblichen Versuch, ein Taxi zu finden, fuhr er mit der Metro zum Maxim-Gorki-Ufer und lief die hundertfünfzig Meter bergauf zu dem von einer Mauer umgebenen Mietshauskomplex, in dem sein Vater seit seinem Ausscheiden aus dem Sekretariat der Vereinten Nationen wohnte. Am Eingang des Geländes trat ein Milizsoldat aus einem Häuschen und verlangte in forschem Ton Jewgenis internationalen Pass. Der Komplex in den Lenin-Hügeln, der hochrangigen Parteisekretären, höheren Diplomaten und sonstigen wichtigen Persönlichkeiten vorbehalten blieb, wurde rund um die Uhr bewacht. Der prominenteste Bewohner, so hatte Jewgenis Vater stolz am Telefon erzählt, war kein anderer als Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, der stämmige Bauer aus der Ukraine, der inzwischen zu den »Frischlingen« in Stalins Politbüro gehörte. Der Wachmann inspizierte das Foto im Pass und verglich es genau mit Jewgenis Gesicht, fuhr dann mit einem Finger die Liste auf seinem Klemmbrett hinunter, bis er zu dem Namen Jewgeni Alexandrowitsch Tsipin kam. »Sie werden erwartet«, sagte er gewichtig und winkte Jewgeni durch. Ein weiterer Milizsoldat bewachte die Eingangshalle, und ein dritter, der den Aufzug bediente, brachte den Besucher in den achten Stock, wo er bei geöffneter Fahrstuhltür wartete, bis Alexander Timofejewitsch Tsipin die Wohnungstür öffnete und ihm signalisierte, dass er den Gast kannte. Jewgenis Vater, der seit dem Tod seiner Frau vor elf Monaten eine schwarze Trauerbinde am Ärmel der Anzugjacke trug, zog seinen ältesten Sohn in die klimatisierte Wohnung, umarmte ihn verlegen und drückte ihm auf jede Wange einen kratzigen Kuss.
    »Tut mir Leid, dass ich dich nicht früher sehen konnte«, murmelte der ältere Tsipin. »Ich hatte Besprechungen, musste Berichte schreiben.«
    »Das Übliche. Was macht dein Rheuma?«
    »Es kommt und geht, je nach Witterung. Wann hast du dir denn den Spitzbart wachsen lassen?«
    »Nachdem wir uns zuletzt gesehen haben, das war auf der Beerdigung meiner Mutter.«
    Tsipin wich dem Blick seines Sohnes aus. »Tut mir Leid, dass ich dir hier kein Bett anbieten konnte. Wo bist du untergekommen?«
    »Bei einem Freund. Ich kann dort auf der Couch schlafen.«
    Durch die Doppeltür des geräumigen Wohnzimmers sah Jewgeni das riesige Panoramafenster, das einen atemberaubenden Blick auf den Fluss und auf Moskau bot. » Otschen choroscho «, sagte er. »Die Sowjetunion behandelt ihre ehemaligen höheren Diplomaten ja wie Zaren.«
    »Grinka ist da«, sagte der ältere Tsipin, hakte sich bei seinem Sohn ein und führte ihn ins Wohnzimmer. »Er hat den Nachtzug aus Leningrad genommen, als er hörte, dass du kommst. Ich habe auch einen Freund eingeladen, und mein Freund hat ebenfalls einen Freund mitgebracht.« Er bedachte seinen Sohn mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Du wirst meinen Freund bestimmt interessant finden.« Er senkte die Stimme und schob den Mund an Jewgenis Ohr. »Wenn er dich nach Amerika fragt, hebe bitte die negativen Seiten hervor.« Durch die Doppeltür sah Jewgeni seinen

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