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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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kompliziertes Schachspiel hielt. Ein typisches Mitglied der kommunistischen Nomenklatura, in der jeder für die eigene Karriere über die Leichen seiner Kollegen ging!
    Starik spuckte einen verdorbenen Aprikosenkern auf den Perserteppich. »Worüber ich rede«, sagte er mit deutlich artikulierten Worten zu Jewgeni, »ist ein Staatsgeheimnis.«
    Später beim Essen lenkte Starik das Gespräch auf Amerika und fragte Jewgeni nach seinen Eindrücken. Glaubte er, dass die Rassenspannungen zu einem Aufstand der Schwarzen führen würden? Würde das ausgebeutete Proletariat der Weißen eine solche Revolte unterstützen? Jewgeni erwiderte, er sei eigentlich gar nicht richtig in Amerika gewesen – er sei in Yale gewesen, einem Ghetto für Privilegierte. »Was den Aufstand der Schwarzen angeht«, fügte er hinzu, »ehe das passiert, wird der Mensch auf dem Mond spazieren gehen. Wer Ihnen so etwas weismachen will, hat einfach keine Ahnung, wovon er redet.«
    »Ich habe es in der Prawda gelesen«, sagte Starik mit herausforderndem Blick, als wäre er gespannt, ob der Sohn seines Gastgebers einen Rückzieher machen würde.
    Jewgeni kam sich auf einmal vor wie in einer mündlichen Prüfung. »Die Journalisten erzählen uns das, was wir ihrer Meinung nach hören sollten«, sagte er. »Wenn wir es mit der gewaltigen Macht des kapitalistischen Amerika aufnehmen wollen, müssen wir zuerst mal verstehen, wie die Amerikaner denken.«
    »Verstehen Sie, wie sie denken?«
    »Ich verstehe sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass mit einem Aufstand der Schwarzen nicht zu rechnen ist.«
    »Und was beabsichtigen Sie mit Ihrem Wissen über Amerika anzufangen?«
    »Das habe ich mir noch nicht genau überlegt.«
    Grinka fragte seinen Vater, ob er den Prawda- Artikel über den TASS-Journalisten in Washington gelesen habe, der unter Drogen gesetzt und mit einem splitternackten, minderjährigen Mädchen im Bett fotografiert worden war, woraufhin die CIA ihn durch Erpressung zwingen wollte, als Spion für sie zu arbeiten. Jewgeni meinte, vielleicht sei der TASS-Journalist ja auch KGB-Agent gewesen. Sein Vater füllte die Gläser mit kühlem ungarischem Weißwein nach und sagte, dass die Amerikaner Sowjetjournalisten und -diplomaten regelmäßig bezichtigten, Spione zu sein.
    Jewgeni sah seinen Vater an. »Sind sie das denn nicht?«, fragte er mit einem Lachen in den Augen.
    Starik hob sein Glas auf Augenhöhe und musterte Jewgeni über den Rand hinweg, während er den Stiel mit den Fingern drehte. »Seien wir ehrlich: manchmal ja«, sagte er gelassen. »Aber wenn der Sozialismus überleben will, muss er sich verteidigen.«
    »Und versuchen wir bei denen nicht die gleichen Tricks wie die bei uns?«, hakte Jewgeni unbeirrt nach.
    Martin Dietrich erwies sich doch als nicht ganz so humorlos. »Das hoffe ich inständig«, sagte er. »Bei ihrer gefährlichen Arbeit sind Spione unterbezahlt und brauchen ab und an zum Ausgleich etwas anderes als Geld.«
    »Ich verstehe durchaus, dass ein Außenstehender manchmal den Eindruck hat, das Spionagegeschäft wäre ein amüsantes Spiel«, räumte Starik ein, den Blick auf Jewgeni gerichtet. An seinen Gastgeber gewandt, erzählte er von einem französischen Militärattaché, der von einer jungen Frau verführt worden war, die im Ministerium für internationale Angelegenheiten arbeitete.
    »Eines Abends besuchte er sie in dem Zimmer, das sie sich mit einer anderen jungen Frau teilte. Bevor er wusste, wie ihm geschah, war er mit den beiden Frauen im Bett gelandet. Natürlich arbeiteten die Frauen für unseren KGB. Sie haben alles durch einen Einwegspiegel gefilmt. Als sie dem Attaché diskret Fotos vorlegten, fing er an zu lachen und fragte, ob er Abzüge haben könne, die er seiner Frau nach Paris schicken wollte, um ihr zu beweisen, dass seine Manneskraft in zwei Jahren Moskau nicht gelitten hatte.«
    Jewgenis Augen wurden ein wenig größer. Wieso kannte der Freund seines Vaters so eine Geschichte? Hatte Pascha Semjonowitsch Shilow mit dem KGB zu tun? Jewgeni blickte seinen Vater an – er hatte schon immer vermutet, dass er irgendwie mit dem KGB in Verbindung stand. Schließlich wurde von Diplomaten im Ausland erwartet, dass sie Augen und Ohren offen hielten und ihren Führungsoffizieren Bericht erstatteten. Konnte es sein, dass Starik der Führungsoffizier seines Vaters war? Der ältere Tsipin hatte Starik als einen sehr guten Freund vorgestellt. Wenn Starik sein Führungsoffizier war, dann könnte sein Vater

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