Die Company
will.« Starik nahm eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser, jedes mit einer Zitronenscheibe darin, und ging weiter in eine geräumige, holzgetäfelte Bibliothek. An der einzigen Wand ohne Bücherregale hing ein lebensgroßes Porträt von L. N. Tolstoi. Unten rechts waren der Name des Malers – I. J. Repin – und das Datum 1887 zu sehen. Tolstoi, mit langem weißem Bart und angetan mit einem groben Bauernhemd, posierte auf einem Stuhl sitzend, ein aufgeschlagenes Buch in der linken Hand. Jewgeni fiel auf, dass die Fingernägel des berühmten Schriftstellers, wie bei Starik, dick und lang und kantig geschnitten waren.
Ein großer Holztisch mit säuberlich gestapelten Akten stand in der Mitte des Raums. Starik stellte das Mineralwasser und die Gläser auf den Tisch, setzte sich auf einen Stuhl und winkte Jewgeni, auf dem Stuhl gegenüber Platz zu nehmen. »Genosse Beria sagt, dass die Ruhe und die Landluft eine Wohltat für sein Magengeschwür sind – wirkungsvoller als die Wärmflaschen, die er sich ständig auf den Bauch legen muss. Wahrscheinlich hat er Recht.« Starik zündete sich eine von seinen bulgarischen Zigaretten an. »Sie rauchen nicht?«
Jewgeni schüttelte den Kopf.
Ein Mann mit geschorenem Kopf, mit schwarzer Jacke und blauer Hose bekleidet, erschien mit einem Tablett. Er stellte eine Untertasse mit Zuckerwürfeln und eine weitere mit Apfelscheiben auf den Tisch, goss dampfenden Tee aus einer Thermosflasche in zwei Gläser, die er daraufhin abstellte. Als er gegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, klemmte Starik sich einen Zuckerwürfel zwischen die Zähne und begann, geräuschvoll den Tee durch den Zucker zu schlürfen. Jewgeni sah, wie der Adamsapfel im sehnigen Hals seines Gegenübers auf und ab hüpfte. Unvermittelt fragte Starik: »Glauben die Amerikaner, dass es Krieg gibt?«
»Einige ja, einige nein. Jedenfalls ist die überwiegende Mehrheit dagegen. Die Amerikaner sind verweichlichte Pioniere, die sich heute alles kaufen, was ihr Herz begehrt, und dann ihr Leben lang Schulden abzahlen.«
Starik öffnete die Akte oben auf dem Stapel und blätterte den Bericht durch, während er einen Schluck Tee nahm. »Da bin ich anderer Ansicht. Das amerikanische Pentagon glaubt, dass es Krieg gibt – sie haben sogar vorhergesagt, dass er am ersten Juli 1952 anfängt. Nicht wenige Abgeordnete im amerikanischen Kongress halten die Pentagon-Prognose für richtig. Bei ihrer Gründung 1947 wurde die CIA in finanzieller Hinsicht als Stiefkind behandelt; mittlerweile erhält sie unbegrenzte Gelder und rekrutiert fieberhaft Agenten. Und was die Ausbildung angeht, kann von verweichlicht nicht die Rede sein. Die Sowjetrusslandabteilung, unser Hauptgegner, organisiert realistische Entführungen ihrer eigenen Rekruten durch Russen, die zu ihren Leuten gehören und sich als KGB-Agenten ausgeben; sie drohen den Rekruten mit dem Tod, wenn sie nicht zugeben, dass sie für die CIA arbeiten. Wer den Psychoschock übersteht, hat Aufstiegschancen.«
Starik blickte von der Akte auf. »Ich bin beeindruckt, dass Sie die nahe liegende Frage nicht stellen.«
»Wenn ich Sie fragen würde, wieso Sie das alles wissen, würden Sie es mir ohnehin nicht sagen, also kann ich es mir auch sparen.«
Starik nahm wieder einen Schluck Tee. »Ich schlage vor, wir sprechen miteinander, als würden wir uns schon so lange kennen, wie ich Ihren Vater kenne.« Als Jewgeni nickte, fuhr er fort: »Sie kommen aus einer angesehenen Familie, die eine lange Geschichte im Dienst der sowjetischen Geheimdienstorgane hat. In den Zwanzigerjahren, zur Zeit des Bürgerkrieges, war der Vater Ihres Vaters in der Tscheka und hat an der Seite von Felix Edmundowitsch Dserschinski gekämpft, der die ›Außerordentliche Kommission zum Kampf gegen Konterrevolution und Sabotage‹ leitete. Der Bruder Ihres Vaters ist Leiter einer Abteilung im Zweiten Direktorat des KGB – aha, ich sehe, dass Sie das nicht wussten.«
»Mir wurde gesagt, er arbeitet für – aber es spielt ja keine Rolle, was mir gesagt wurde.«
»Und Ihr Vater –«
»Mein Vater?«
»Er hat jahrelang für das Erste Direktorat gearbeitet, während er als Diplomat eingesetzt war. Seit zwölf Jahren bin ich sein Führungsoffizier, also kann ich seine ungeheure Leistung im Dienste unserer Sache bestätigen, über die Sie, so mein Eindruck, recht zynische Ansichten haben. Im Grunde – was ist der Kommunismus? Der verrückte Gedanke, dass es eine Seite an uns gibt, die wir
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