Die Company
Einsatz in der Berliner Basis hatte ein abruptes Ende gefunden, nachdem seine Bemerkung, eine Basis der Company werde von einem »pathologischen Trunkenbold« geleitet, dem Zauberer zu Ohren gekommen war, der sogleich eines seiner berüchtigten »Er-oder-ich« -Telegramme an den DD/O losschickte. Ebby hatte sich in das Unvermeidliche gefügt und sich in die Frankfurter Dienststelle versetzen lassen, wo er in der Abteilung Sowjetrussland/Osteuropa einem neuen und riskanten Unternehmen zugeteilt wurde: dem Einschleusen von Agenten in die ukrainischen Karpaten per Fallschirm.
Der erste Auftrag brach Ebby beinahe das Herz – und führte zu einem Vorfall, der ihn fast seine Karriere bei der Company gekostet hätte.
Er hatte seine Reisetasche noch nicht ganz ausgepackt, als sein direkter Vorgesetzter, ein grau gelockter ehemaliger OSS-Offizier namens Anthony Spink, ihn schon mit dem Auto abholte. Sie würden, so erklärte Spink während der Fahrt, außerhalb von Frankfurt einen Agenten mit dem Decknamen SUMMERSAULT treffen, einen Ukrainer, der auf einem geheimen Militärstützpunkt ausgebildet worden war, um hinter dem Eisernen Vorhang mit dem Fallschirm abgesetzt zu werden. Der Mann war dreiundzwanzig Jahre alt, stammte aus der westukrainischen Stadt Luzk und hatte im Krieg unter dem abtrünnigen russischen General Wlasow für die Deutschen gekämpft. Wlasow war mit Hunderten seiner Offiziere nach der deutschen Kapitulation von den Russen gehängt worden, während SUMMERSAULT, dessen richtiger Name Aljoscha Kulakow war, mit den Deutschen nach Westen hatte fliehen können. Spink hatte sich mit dem jungen Mann unterhalten, nachdem ein Anwerber der Company auf ihn aufmerksam geworden war. SUMMERSAULT hatte behauptet, in den Südkarpaten würden nach wie vor Tausende bewaffneter ukrainischer Nationalisten gegen die Russen kämpfen, was eine abgefangene, entschlüsselte Nachricht vom ersten Sekretär der ukrainischen Parteiorganisation, einem unbekannten Apparatschik namens Nikita Chruschtschow, bestätigte. Die Company beschloss, SUMMERSAULT im Funken und Chiffrieren auszubilden und ihn mit dem Fallschirm über den Karpaten abspringen zu lassen, damit er Kontakt zwischen der CIA und der Widerstandsbewegung herstellte.
Auf dem Papier sah das alles ganz viel versprechend aus.
Spink fuhr über unbefestigte Straßen zwischen endlosen Feldern mit Winterweizen hindurch auf einen entlegenen Bauernhof. Als sie vor einem Kuhstall hielten, fanden sie dort einen jungen Mann mit kindlichen Gesichtszügen und blonden Haaren, der Wasser aus einem Brunnen zog. Er begrüßte Spink mit einem breiten Lächeln, schlug ihm auf den Rücken und fragte: »Wann schickt ihr mich endlich nach Hause in meine Karpaten?«
»Sehr bald«, versprach Spink und machte ihn mit Ebby bekannt (aus Sicherheitsgründen benutzte er ein Pseudonym), der mit SUMMERSAULT eine Legende erarbeiten und die entsprechenden sowjetischen Papiere fälschen sollte. »Ich habe dir was zum Geburtstag mitgebracht«, sagte er, öffnete den Kofferraum und überreichte einem freudig erregten Aljoscha eine als Feuerzeug getarnte Minox-Kamera und ein Kurzwellenfunkgerät von der Größe eines Buches.
Sobald Spink sich auf den Rückweg nach Frankfurt gemacht hatte, bat Ebby Aljoscha, ihm die wichtigsten Stationen seines Lebens zu erzählen, als roten Faden für eine möglichst wahre Legende. Der Ukrainer druckste zuerst herum, und Ebby musste ihn einige Male ermuntern: Seine Kindheit hatte er in Luzk am Styr verbracht, wo sein Vater im geheimen Kreis ukrainischer Nationalisten mitgemischt hatte; als Heranwachsender hatte er oft Todesängste ausgestanden, als sein Vater und er in Wlasows Befreiungsarmee gegen die Russen kämpften (»weil sie Russen waren, nicht weil sie Kommunisten waren«). Tränen traten ihm in die Augen, als er die Hinrichtung seines Vaters durch die Russen erwähnte, was ihn sichtlich Überwindung kostete. Auch Ebby bekam feuchte Augen, und er erzählte vom Tod seines Vaters, eines legendären OSS-Offiziers, der mit dem Fallschirm über Bulgarien abgesprungen war, das sich seit 1941 am Krieg der Achsenmächte beteiligt hatte. Winstrom Ebbitt war von einem angeblichen Partisanen verraten, gefasst und von den Deutschen gefoltert worden. Als die Rote Armee über die Donau in Bulgarien einmarschiert war, wurde Ebbitt auf einer Trage – man hatte ihm beide Fußknöchel gebrochen – auf einen Fußballplatz am Rande von Sofia gebracht, an einen Torpfosten gefesselt
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