Die Company
und von einem deutschen Erschießungskommando, dem die Munition ausgegangen war, mit Bajonetten erstochen.
Nachdem sie einander ihre traurigen Geschichten erzählt hatten, war das Eis zwischen den beiden jungen Männern gebrochen, und zwei Wochen lang waren sie praktisch unzertrennlich. In Sitzungen, die oft bis in die frühen Morgenstunden dauerten, erarbeiteten sie gemeinsam eine Legende für den Ukrainer, die selbst der gründlichsten Überprüfung durch KGB-Ermittler standhalten würde. Aljoscha polierte seine Morsekenntnisse auf, prägte sich die Silhouetten sowjetischer Flugzeuge ein und ackerte sich durch einen Berg Informationslektüre, um sich über das Alltagsleben in der Sowjetunion auf den neuesten Stand zu bringen. Ebby besorgte derweil falsche sowjetische Dokumente zur Untermauerung der Legende und kam dabei auch in Kontakt mit der schattenhaften westdeutschen »Organisation Gehlen«.
Tony Spink holte Ebby zum Mittagessen in die Kantine in einem der Gebäude der I. G. Farben ab und erzählte ihm Näheres über Reinhard Gehlen, dessen inoffizieller Deckname in der Company »Strange Bedfellow« lautete. General Gehlen hatte im Krieg als Leiter der Wehrmachtsaufklärung Fremde Heere Ost die Sowjetunion ausspioniert. Im März 1945 hatte er das umfangreiche Material auf Mikrofilm aufgenommen und vergraben. »Die Mikrofilme waren Gehlens Lebensversicherung«, erklärte Spink.
»Er nahm Kontakt zu amerikanischen Geheimdienstlern auf und bot ihnen die Unterlagen an.«
»Was wollte er dafür haben?«
»Gehlen wollte einen westdeutschen Geheimdienst unter seiner Leitung gründen, und die CIA sollte ihn finanzieren. Vielen Leuten ging es natürlich gegen den Strich, einen ehemaligen Wehrmachtsgeneral – noch dazu einen, der seinem Führer bis zum bitteren Ende treu ergeben war – mit einer solchen Aufgabe zu betrauen. Klar, wir wollten sein Material, aber das kriegten wir nur inklusive Gehlen. ›Alles oder nichts‹, war seine Devise. Um es kurz zu machen, der Kalte Krieg wurde langsam heißer, und Gehlens Mikrofilme waren eine Goldmine an Informationen über den Feind. Ohne Gehlen und seine Mikrofilme hätten wir ganz schön blöd dagestanden. Ich weiß, was mit Ihrem alten Herrn passiert ist, Ebby. Also, hören Sie auf meinen Rat: Zähne zusammenbeißen und durch.«
Am nächsten Nachmittag fuhr Ebby mit einem Dienstwagen nach Pullach bei München. Es war schon dunkel, als er in eine schmale Straße einbog, die an einer dichten Hecke mit Elektrozaun dahinter entlangführte, und zu einem kleinen Wachhaus kam. Eine nackte Glühbirne beleuchtete ein Schild mit der Aufschrift: »SÜDDEUTSCHE INDUSTRIEVERWERTUNGS-GmbH – Scheinwerfer aus- und Innenbeleuchtung einschalten.«
Erst als Ebby der Aufforderung nachkam, trat ein uniformierter Wachmann an den Wagen. Ebby kurbelte die Scheibe runter und reichte ihm seinen amerikanischen Pass und seinen Company-Ausweis. Der Wachmann nahm die Ausweise mit ins Haus, griff zum Telefonhörer, wählte eine Nummer und las jemandem am anderen Ende der Leitung die Dokumente vor. Kurz darauf brauste ein Jeep heran, ein schlanker Mann mit beginnender Glatze stieg aus, ging durch ein Drehkreuz und setzte sich auf den Beifahrersitz von Ebbys Wagen. »Ich bin Doktor Upmann aus der Registratur«, stellte er sich vor, ohne Ebby die Hand zu geben. »Sie können die Scheinwerfer jetzt wieder einschalten.«
»Was ist mit meinen Ausweisen?«, fragte Ebby.
»Die bekommen Sie zurück, wenn Sie uns wieder verlassen. Bis dahin leiste ich Ihnen Gesellschaft.«
Das Tor öffnete sich, und Ebby fuhr Dr. Upmanns Anweisungen folgend über das Gelände. »Sie sind zum ersten Mal unser Gast, nicht wahr?«, sagte Upmann.
»Ja«, erwiderte Ebby. Er spürte ein Prickeln im Nacken.
»Seien Sie versichert, dass wir uns freuen, unseren amerikanischen Freunden zu Diensten zu sein«, sagte Upmann und zeigte nach rechts in eine beleuchtete Straße.
Ebby bog wie geheißen ab. »Fällt eigentlich jemand auf das Firmenschild am Tor herein?«, fragte er.
Der Deutsche rang sich ein schwaches Lächeln ab. »Dr. Schneider« – das war Gehlens Deckname – »hat da eine Hypothese: Wenn man ein großes Geheimnis bewahren will, muss man es als langweiliges, belangloses Geheimnis tarnen, statt den Leuten weismachen zu wollen, dass es gar kein Geheimnis gibt. Sie wären erstaunt, wie viele Deutsche glauben, wir würden Industriegeheimnisse von den Amerikanern und Franzosen stehlen.«
Schließlich hielten sie
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