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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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da andeutest – dass der Leiter unserer Sektion IX, der Bursche, der noch bis vor kurzem verantwortlich für die Abwehroperationen gegen die Russen war, ein sowjetischer Maulwurf ist! Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
    »Mein voller Ernst.«
    »Das muss ich erst mal verdauen. Gib mir neunundzwanzig Monate Zeit.«
    »Die Zeit rinnt uns durch die Finger, Elihu.«
    Elihu lehnte sich zurück, schloss die Augen und wandte das Gesicht in die Sonne. Als er sie wieder öffnete, hatte er eine Entscheidung getroffen. »Für das, was ich dir jetzt erzähle, könnte man mich über die Klinge springen lassen. Aber wie es so schön heißt, wer A sagt, muss auch B sagen. Jahre bevor Kim Philby Mitarbeiter der antisowjetischen Spionageabwehr wurde, war er in untergeordneter Stellung in der Sektion V tätig, die deutsche Operationen auf Philbys früherem Einsatzgebiet aufspüren sollte, der Iberischen Halbinsel. MI6 hatte und hat noch heute ein Zentralregister, in dem die Berichte von britischen Agenten weltweit gesammelt werden. Das Zentralregister ist geografisch geordnet. Philby hat sehr häufig die iberischen Bücher eingesehen, was plausibel ist, da es ja sein Operationsgebiet war. Vor gar nicht langer Zeit bin ich ins Zentralregister, um einen Blick in das Register über die Sowjetunion zu werfen, mein Operationsgebiet. Während es für mich geholt wurde, habe ich aus reiner Neugier das Ausleihbuch durchgeblättert, um zu sehen, wer sich alles dafür interessiert hat. Ich war ganz schön verdutzt, als ich sah, dass Philby das Register über die Sowjetunion eingesehen hatte, lange bevor er Chef unserer Sowjetabteilung wurde. Er hätte eigentlich Deutsche in Spanien jagen müssen und nicht sich über britische Agenten in Russland informieren.«
    »Wer weiß noch von der Sache, Elihu?«
    »Ich habe es außer dir nur noch einer Menschenseele erzählt.«
    »Lass mich raten – Ezra Ben Ezra, besser bekannt als der Rabbi.«
    Elihu war ehrlich überrascht. »Wie bist du darauf gekommen?«
    »Der Rabbi hat mir einmal erzählt, es gebe eine internationale jüdische Verschwörung, und ich habe ihm geglaubt.« Torriti lachte leise. »Jetzt ist mir klar, warum Ben Ezra mich zu dir geschickt hat. Aber warum bist du mit deinem Verdacht nicht zu Roger Hollis gegangen?«
    »Weil ich noch nicht völlig verrückt bin«, erwiderte Elihu entsetzt. »Was habe ich denn in der Hand, Harv? Ein KGB-Überläufer, der versucht, etwas Wirbel zu machen, indem er behauptet, er könne einen sowjetischen Maulwurf im MI6 enttarnen, eine Heirat in Österreich, ein russischer General, der vage Andeutungen über einen britischen Journalisten in Spanien gemacht hat, irgendwelche einfach zu erklärenden Einsichtnahmen im Zentralregister – Philby könnte sich auf den Kalten Krieg vorbereitet haben, bevor sonst jemand gespürt hat, dass die Temperaturen fallen. Das reicht vorne und hinten nicht als Beweis, um die rechte Hand des MI6-Bosses zu bezichtigen, er wäre ein sowjetischer Spion!«
    »Die reine, einfache Wahrheit hat immer Gewicht, Elihu.«
    Elihu nahm seinen Hut von der Bank und setzte ihn sich ganz gerade auf den fast haarlosen Kopf. »Ich halte es da mit Oscar Wilde, der gesagt hat, die Wahrheit ist selten rein und niemals einfach.« Er spitzte die Lippen und schüttelte den Kopf. »Tja. Was du machen könntest, ist, ein paar Leuten Kontrastbrei verabreichen. Das haben wir ab und an während des Krieges gemacht.«
    »Kontrastbrei! Daran habe ich noch gar nicht gedacht.«
    »Ja. Ist aber eine knifflige Sache. Denk dran, er sollte schmackhaft sein – sonst schluckt der russische Maulwurf ihn nicht. Das Zeug muss erstklassig sein. Man muss Nerven haben, Geheimnisse zu verraten, um ein Geheimnis zu erfahren.« Elihu erhob sich, nahm einen Zettel aus seiner Uhrtasche und gab ihn Torriti. »Ich esse unter der Woche im Lion and Last in Kentish Town zu Abend. Hier ist die Telefonnummer. Sei so nett und ruf mich nie wieder im Büro an. Ach ja, falls jemand fragt, unser Treffen hier hat nie stattgefunden. Habe ich mich klar ausgedrückt, Harv?«
    »Niemand wird etwas anderes von mir hören, Elihu.«
    »Danke.«
    »Ich danke dir.«

 
    6 Washington, D.C.,
Freitag, 30. März 1951

    F
    ünfzehn ernste, junge Sektionsleiter drängten sich in Bill Colbys Büro zum regelmäßigen »Kaffeeklatsch« über das Stay-behind -Netzwerk, das in Skandinavien aufgebaut wurde. »In Norwegen steht die Infrastruktur zu neunzig Prozent«, berichtete eine junge Frau mit

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