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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Brief auf hauchdünnem Papier heraus, der von Jack war. »Leo, alter Gauner«, begann er.
    »Danke für deine Nachricht. Ich antworte dir auf die Schnelle, damit mein Brief noch heute Nacht per Kurier rausgeht, also entschuldige meine Klaue. Deine Arbeit in Washington klingt öde, aber wichtig. Hier in Deutschland munkelt man, dass Colby große Ziele hat, also häng dich an ihn dran, alter Knabe. Über die Berliner Basis kann ich dir nicht viel erzählen, weil (wie wir in der Branche sagen) du es nicht wissen musst. Es geht ziemlich heiß her. Jede Menge Leute laufen kopflos durch die Gegend. Erinnerst du dich an den OSS-Anwalt, den wir im Cloud Club kennen gelernt haben – Ebby Ebbitt? Der ist abserviert worden, weil er laut ausgesprochen hat, was die meisten (aber nicht ich) denken, nämlich dass der Boss der Berliner Basis zu viel trinkt. Ebby ist in die Frankfurter Dienststelle versetzt worden, und ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört. Der Zauberer ist zurzeit fuchsteufelswild wegen einer missglückten Exfiltration – er ist sicher, dass der Gegner einen Tipp bekommen hat. Die Frage ist: von wem? Ich habe meinen ersten Agenten zugeteilt bekommen, genauer gesagt, eine Agentin. Noch dazu eine hinreißende Schönheit. Riesige, traurige Augen und lange Beine, die einfach nicht aufhören. Mein Boss will, dass ich sie verführe, damit sie mir im Bett so einiges flüstert. Ich würde meinem Land natürlich nur allzu gern dieses Opfer bringen, aber ich komme bei ihr einfach nicht so richtig zum Zug. Eine ganz neue Erfahrung für mich. Lass mal wieder von dir hören. Ich hoffe, wir sehen uns, wenn ich Heimaturlaub kriege.«
    Das Postskriptum lautete: »Hab neulich abends in einer Berliner Kneipe einen alten Bekannten getroffen. Erinnerst du dich an Wanka Borisow? War ’48 bei der Weltmeisterschaft in München in der russischen Rudermannschaft, und wir sind einmal abends mit ihm durch die Kneipen gezogen. Wanka wusste, dass ich für die Company arbeite, das heißt, er ist beim KGB.«
    Leo verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. Er wünschte sich fast, er hätte auch einen Posten in einer Stadt wie Berlin bekommen. Washington wirkte dagegen richtig lahm. Doch hier war das Auge des Sturms – hier, so hatte man ihm zu verstehen gegeben, konnte er am meisten bewirken. Sein Blick fiel auf den Wandkalender, auf dem der 30. März als Zahltag rot umkringelt war; er war auch blau umkringelt, um ihn daran zu erinnern, dass er nach der Arbeit mit seinem Hund zum Tierarzt musste.
     
    Mit seinem betagten, an Arthritis leidenden Hund betrat Leo das Wartezimmer der Tierklinik Maryland und nahm Platz. Der Hund, überwiegend, aber nicht ganz ein Deutscher Schäferhund, ließ sich auf das Linoleum plumpsen, wo Leo ihm den Kopf streichelte.
    »Was fehlt ihm denn?«
    Leo blickte auf. Ihm gegenüber saß eine leicht übergewichtige, eher kleine Frau mit kurzem Lockenhaar, das ihr in die hohe Stirn fiel. Ihre Augen waren verweint. Sie trug einen schwarzen Rollkragenpullover, eine verwaschene orangefarbene Latzhose und Tennisschuhe. Auf ihrem Schoß lag schlaff eine braunweiße, blutbefleckte Siamkatze.
    »Er führt inzwischen ein elendes Hundeleben«, sagte Leo traurig. »Ich möchte ihn von seinen Qualen erlösen.«
    »Ach je«, sagte die junge Frau, »das tut mir Leid. Wie lange haben Sie ihn schon?«
    Leo blickte auf seinen Hund. »Manchmal kommt es mir so vor, als wäre er schon immer bei mir.«
    Die Frau fuhr geistesabwesend mit den Fingern durch das Fell am Hals der Katze. »Das kann ich gut verstehen.«
    Eine beklommene Stille trat ein. Leo deutete mit einem Nicken auf die Katze. »Was ist denn mit ihr passiert?«
    »Im Sommer ist sie immer aus dem Fenster geklettert und hat auf der Fensterbank gehockt und die Vögel beobachtet, als ob sie auch gern geflogen wäre. Ich schlafe auch im Winter bei offenem Fenster, und ich hätte schwören können, dass ich es zugemacht habe, als ich heute Morgen zur Arbeit gefahren bin.« Einen Moment lang versagte ihr die Stimme. Dann sagte sie: »Sie muss vergessen haben, dass sie eine Katze ist, und wollte wohl mal eine Runde fliegen. Es heißt zwar, Katzen landen immer unversehrt auf den Füßen. Aber sie ist aus dem dritten Stock gesprungen und auf dem Rücken gelandet. Ich glaube, sie ist gelähmt. Ich will sie einschläfern lassen.«
    Leo war als Erster an der Reihe. Als er zehn Minuten später wieder ins Wartezimmer kam, mit dem noch warmen Leichnam seines

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