Die Company
Genick. P. Swett.«
Die Frischvermählten verbrachten die Hochzeitsnacht in einem Hotel mit atemberaubendem Blick auf den Sonnenuntergang über der Chesapeake Bay. Am nächsten Morgen ging Leo wieder zur Arbeit. Adelle hatte drei Tage frei bekommen, die sie nutzte, um mit dem Wagen Sachen aus ihrer Wohnung in Georgetown in ihr neues, gemeinsames Heim zu bringen, das sie in der Bradley Lane in Maryland gemietet hatten.
Schon bald stellte sich bei dem jungen Ehepaar die Alltagsroutine ein. Leo wurde morgens von seinem Kollegen Dick Helms mit zur Arbeit genommen. Helms, der ebenfalls beim OSS gewesen war und unter Wisner in der Abteilung Geheimoperationen arbeitete, wohnte in der Nachbarschaft und fuhr immer einen großen Umweg, um sein Ziel unkenntlich zu machen.
Einmal alle zwei Wochen hatte Leo die zweite Nachtschicht von vier Uhr morgens an und stellte mit seinen Kollegen den Tagesbericht für den Präsidenten zusammen. Dafür wurden die in der Nacht von den Operationsbasen in Übersee eingetroffenen Nachrichten gesichtet und nur die wichtigsten Themen aussortiert, die Truman zur Kenntnis gebracht werden sollten. Das »Buch«, so die interne Bezeichnung – ein acht- bis zehnseitiges Dokument mit der Aufschrift »Nur für den Präsidenten« – wurde jeden Morgen frühzeitig zum Weißen Haus gebracht, so dass Truman es beim Frühstück lesen konnte.
An einem Sonntagmorgen kurz nach Leos Heirat erhielt der für die Überbringung zuständige Kollege, als er sich gerade auf den Weg machen wollte, einen Anruf von seiner Frau: Die Wehen hatten eingesetzt, und sie war schon im Krankenhaus. Der Kollege bat Leo, für ihn einzuspringen, und eilte zur Geburt seines ersten Kindes. Leos Company- Ausweise wurden am Südtor des Weißen Hauses überprüft, bevor er durch den Privateingang des Präsidenten geführt und mit dem Aufzug zu dessen Wohnung im ersten Stock gebracht wurde. Leo musste draußen im Flur warten. Gleich darauf öffnete sich eine Tür, und ein untersetzter Mann in einem Zweireiher mit flotter Fliege winkte ihn herein. Ziemlich verunsichert dadurch, dem Präsidenten direkt gegenüberzustehen, trat Leo in das Zimmer. Zu seiner Überraschung sah er Philip Swett am Frühstückstisch sitzen.
»Du arbeitest also doch für die Company «, knurrte Swett und zog amüsiert die Stirn kraus.
»Die Herren kennen sich?«, fragte der Präsident.
»Der junge Bursche hat meine Tochter geheiratet, damit ist er wohl mein Schwiegersohn«, erwiderte Swett. »Bei unserer ersten Unterhaltung besaß er die Stirn, mich zu fragen, wie viel ich verdiene.«
Truman blickte Leo an. »Ich habe viel übrig für Menschen mit Courage.« In seinen Augen blitzte der Schalk: »Was hat Phil geantwortet?«
»Ich fürchte, ich kann mich nicht erinnern, Sir.«
»Gut so!«, sagte Truman. »Ich habe auch viel übrig für Menschen, die Diskretion bewahren können.«
7 Washington, D.C.,
Donnerstag, 5. April 1951
I
n der Dachkammer über dem Getränkeladen Kahn’s Wine & Beverage in der M Street in Washington befestigte Eugene Dodgson, der junge Amerikaner, der erst kürzlich von einem Rucksackurlaub in Skandinavien zurückgekehrt war, ein Ende der Kurzwellenantenne an einem Wasserrohr. Er wickelte den Draht ab und befestigte das andere Ende an einer Schraube an der Rückseite eines Geräts, das aussah wie ein ganz gewöhnliches Küchenradio. Er schaltete das Radio ein und drückte gleichzeitig den ersten und den dritten Knopf – der eine vermeintlich für den Ton, der andere für einen voreingestellten Sender –, was das Radio in einen modernen Kurzwellenempfänger verwandelte. Eugene warf einen Blick auf die Uhr, stellte eine Moskauer Frequenz ein und wartete, über das Gerät gebeugt, einen Stift in der Hand, ob sein persönlicher Code in der englischsprachigen Quizsendung ausgestrahlt würde. Die Quizmasterin stellte die Frage. »Hier nun ein Zitat aus einem weltberühmten Buch: ›Und die Moral davon ist: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.‹« Der Literaturstudent der Moskauer Universität überlegte einen Moment und sagte dann: » Alice im Wunderland von Lewis Carroll!« Eugene hämmerte förmlich das Herz in der Brust. Plötzlich fühlte er sich mit der Heimat wie durch eine lange Nabelschnur verbunden, die sich von dem Radio aus über Kontinente und Meere hinweg erstreckte, um ihn daran zu erinnern, dass er nicht allein war. Er kritzelte die Gewinnzahl hin, die am Ende der Sendung zweimal
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