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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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unterbringen sollte, der vom FBI schikaniert wurde. Sein Untermieter würde a bends an der Georgetown-Universität Seminare besuchen und tagsüber, als Bezahlung für die Wohnung, Waren für ihn ausfahren.
    »Ich weiß, du stehst unter Parteidisziplin«, sagte Kahn jetzt, während er Eugene den Rest Bier ins Glas schüttete. »Ich weiß, dass du nicht über alles reden kannst.« Er senkte die Stimme. »Diese Sache mit den Rosenbergs – davon wird mir speiübel.«
    Als Eugene verständnislos blickte, sagte er: »Hast du denn keine Nachrichten gehört – die beiden wurden zum Tode verurteilt. Sie kommen auf den elektrischen Stuhl! Ich hab die Rosenbergs Ende der Dreißigerjahre kennen gelernt – wir sind uns häufiger auf Parteiversammlungen begegnet. Ich sage dir, Ethel war absolut arglos. Julius war der Marxist. Ich hab ihn nach dem Krieg noch einmal getroffen. Da hat er mir erzählt, dass er seit ’43 als Kurier arbeitete. Sein Führungsoffizier war im sowjetischen Konsulat in New York. Er hat Kuverts entgegengenommen und weitergegeben, klar, aber ich bezweifle, dass er wusste, was drin war. Ethel hat den Haushalt gemacht und sich um die Kinder gekümmert, während die Männer über Politik redeten. Falls sie die Hälfte davon begriffen hat, wäre ich überrascht. Todesstrafe! Was ist das für eine Welt?«
    »Glaubst du, die Todesstrafe wird vollstreckt?«, fragte Eugene.
    Kahn kratzte sich am Hals. »Die antisowjetische Hysterie in diesem Land ist völlig außer Kontrolle geraten. Die Rosenbergs müssen als Sündenböcke für den Koreakrieg herhalten. Mag sein, dass der Präsident sie aus politischen Gründen noch begnadigt.«
    Kahn stand auf. »Wir müssen alle auf der Hut sein. Bernice bringt dir morgen früh die Zeitungen.«
    »Wer ist Bernice?«
    »Bernice ist praktisch meine Adoptivtochter und eine von uns – eine richtige Genossin, eine proletarische Kämpferin. Sie macht morgens den Laden auf, und ich mache ihn abends zu. Gute Nacht, Eugene.«
    »Gute Nacht, Max.«
    Als er sich am nächsten Morgen vor dem gesprungenen Spiegel über dem Waschbecken in dem winzigen Badezimmer rasierte, hörte Eugene, wie jemand unten im Laden Kartons stapelte. Kurz darauf ertönten gedämpfte Schritte auf der Treppe und ein leises Klopfen an der Tür.
    »Jemand zu Hause?«, rief eine Frauenstimme.
    Eugene wischte sich mit einem Handtuch die Reste Rasierschaum aus dem Gesicht und öffnete die Tür einen Spalt.
    »Hi«, sagte eine junge Frau. Sie hielt die Titelseite des Washington Star hoch, damit er das Foto von Julius und Ethel Rosenberg sehen konnte.
    »Du musst Bernice sein.«
    »Richtig geraten.«
    Bernice war eine schlanke, dunkle Schönheit mit einer gebogenen Nase, buschigen Augenbrauen und tief liegenden Augen, die kampflustig blitzten, wenn sie sich bei einem Thema von ihrer Leidenschaft mitreißen ließ. Sie bezeichnete sich als marxistische Feministin in der Tradition von Alexandra Kollontai, der russischen Bolschewistin, die Mann und Kinder verlassen hatte, um Lenin und der Revolution zu dienen. Auch Bernice war bereit, die bürgerliche Moral aufzugeben und ihren Körper der Revolution darzubieten – falls jemand sie dazu aufforderte.
    Bernice war nicht von gestern. Eugene betonte so deutlich, dass er in Brooklyn geboren und aufgewachsen war, dass sie sich schließlich fragte, ob er wirklich Amerikaner war; manchmal meinte sie, bei ihm kleine grammatikalische Schnitzer zu hören, was sie an ihren Großvater, einen jüdischen Immigranten aus Wilna, erinnerte, der noch nach Jahren in den Staaten ähnlich gesprochen hatte. Das Geheimnisvolle, das sie bei Eugene spürte, faszinierte sie.
    »Ich habe dich durchschaut, Eugene«, sagte sie einmal zu ihm, als er nach einer Auslieferungsfahrt den Kombi in der kleinen Straße hinter dem Getränkeladen geparkt hatte und zur Hintertür hereinkam. »Du bist ein kanadischer Kommunist und hast letztes Jahr die Streiks der Hafenarbeiter gegen die Ausschiffung der Marshall-Plan-Hilfsgüter mit organisiert. Du bist auf der Flucht vor der Mounted Police. Hab ich Recht?«
    »Behältst du’s für dich?«
    »Von mir erfährt niemand ein Sterbenswörtchen. Nicht mal Max.«
    »Die Partei weiß, dass sie sich auf dich verlassen kann.«
    »Und ob sie das kann«, sagte sie mit Nachdruck. Sie kam auf ihn zu, küsste ihn hungrig auf den Mund und keuchte dann: »Heute Abend kommst du mit zu mir, und wir treiben es, bis es hell wird.«
    Und Eugene, der in Russland eine Jüdin abgewiesen

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