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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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wiederholt wurde. Ein Hochgefühl durchdrang Eugene – er sprang auf, presste den Rücken an die Wand, die nach frischer Farbe roch, und keuchte, als hätte er gerade einen Hundert-Meter-Lauf hinter sich. In der Hand hielt er die erste Nachricht von Starik! Laut lachend, ehrfürchtig den Kopf schüttelnd – all diese Codes, all diese Frequenzen, das funktionierte wirklich! –, stellte Eugene am Radio einen beliebten Musiksender ein, wickelte dann vorsichtig die Antenne auf und verstaute sie in einem Hohlraum unter dem Bodenbrett im Wandschrank. Aus seiner Brieftasche nahm er den Glücksbringer, einen Zehn-Dollar-Schein (auf dem mit Tinte »Für Eugene, von seinem Dad zum achten Geburtstag« geschrieben stand), und subtrahierte die Seriennummer darauf von der Gewinnzahl aus der Moskauer Sendung.
    Das Ergebnis war die Washingtoner Telefonnummer seiner Mittelsperson, die den Kontakt zum Residenten hielt. Wenn er die Nummer um Punkt Mitternacht von einer Telefonzelle aus anrief, würde ihm eine Frau mit starkem osteuropäischem Akzent die Privatnummer des sowjetischen Agenten geben, den er in Amerika kontaktieren und dem er Anweisungen übermitteln sollte. Bei dem Mann handelte es sich um den hochrangigen Maulwurf mit dem Decknamen PARSIFAL.
     
    Die Atlantiküberquerung – elf Tage bei schwerem Seegang von Kristiansand nach Halifax auf einem Frachter – war nicht ungewöhnlich verlaufen, das zumindest hatte der Kapitän seinem jungen amerikanischen Passagier versichert. Als Eugene schließlich in Halifax die Gangway hinuntertaumelte, dauerte es noch einige Stunden, bis der Asphalt unter seinen Wanderschuhen nicht mehr schwankte wie die Planken des Schiffs.
    Eugene brauchte vier Tage, um per Anhalter mit Trucks von Halifax nach Caribou in Maine zu gelangen. Dort hatte er einen Greyhound-Bus bestiegen, der über Boston nach New York fuhr, wo er sich im Hotel Saint George ein Zimmer genommen hatte. Von einer Telefonzelle hatte er die Nummer angerufen, die er sich vor seiner Abreise aus Moskau auf Stariks Geheiß eingeprägt hatte. Eine übellaunige Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung.
    »Kann ich Mr. Goodpaster sprechen?«, fragte Eugene.
    »Welche Nummer haben Sie gewählt?«
    Eugene las die Nummer von dem Apparat ab, von dem er anrief.
    »Sie haben sich verwählt.« Die Verbindung wurde abgebrochen.
    Sieben Minuten später klingelte der Apparat in Eugenes Telefonzelle. Er nahm den Hörer ab und sagte: »Wer mit dem Teufel speist, braucht einen langen Löffel.«
    »Ich habe Ihren Anruf schon vor drei Tagen erwartet«, beschwerte sich der Mann. »Wieso melden Sie sich jetzt erst?«
    »Die Fahrt mit dem Schiff hat nicht neun, sondern elf Tage gedauert.«
    »Kennen Sie den Botanischen Garten in Brooklyn?«
    »Klar.«
    »Ich werde morgen früh um zehn vom Haupteingang aus auf der vierten Bank sitzen und die Tauben füttern. Um den Hals werde ich eine Leica hängen haben, und neben mir auf der Bank liegt ein mit rot-goldenem Weihnachtspapier verpacktes Paket.«
    »Zehn Uhr morgen früh«, bestätigte Eugene und legte auf.
    Eugene erkannte den dünnen Mann mit schütterem Haar und Habichtgesicht augenblicklich von dem Foto her, das Starik ihm gezeigt hatte. Oberst Rudolf Iwanowitsch Abel war im Jahr zuvor in die Vereinigten Staaten eingereist und lebte getarnt irgendwo in Brooklyn. Der Oberst, eine Leica an einem Riemen um den Hals, riss Brotscheiben in Stücke und warf die Krumen den Tauben hin, die sich zu seinen Füßen scharten; er blickte nicht auf, als Eugene sich neben ihm auf die Bank plumpsen ließ. Zwischen ihnen lag das in Weihnachtspapier eingeschlagene Paket – es enthielt das Radio, eine Antenne und eine Taschenlampe, die funktionierte, obwohl in der ausgehöhlten Batterie ein Microdot-Lesegerät versteckt war, Pass, Führerschein und sonstige Papiere für Legende B, falls Eugene eine neue Identität annehmen musste, einen ausgehöhlten Silberdollar, in dem ein Mikrofilm-Dia mit Eugenes persönlichen Identifizierungscodes, Chiffriercodes und Telefonnummern in Washington und New York für den Notfall steckte, sowie ein Kuvert mit zwanzigtausend Dollar in kleinen Scheinen.
    Eugene wollte die Losung wiederholen: »Wer mit dem Teufel speist –«, doch Abel hatte den Blick gehoben und fiel ihm ins Wort.
    »Ich erkenne Sie von Ihrem Passfoto wieder.« Ein unglückliches Lächeln zeigte sich in seinem unrasierten Gesicht. »Ich bin Rudolf Abel«, sagte er.
    »Starik lässt Sie herzlich grüßen,

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