Die Company
hatte, nur um hier in den Armen einer anderen zu landen, erhob keine Einwände.
Am nächsten Morgen entdeckte Eugene das X, das mit blauer Kreide auf eine Seite des großen Metallmüllbehälters auf dem Parkplatz hinter dem Getränkeladen aufgemalt war. Nach seinem Literaturseminar am Abend ging er in den Lesesaal der Unibibliothek, nahm drei Bücher über Melville aus den Regalen und suchte sich einen Platz an einem Ecktisch. Von Zeit zu Zeit kamen Studenten herein, um sich Bücher zu holen oder sie zurückzustellen. Als die Zeiger der Uhr über der Tür auf neun Uhr sprangen, erhob sich an einem anderen Tisch lautlos eine große, dünne Frau mit rostbraunem Haar, das nachlässig zu einem Nackenknoten geschlungen war, und ging mit einem Stapel Bücher zu den Regalen. Minuten später kam sie ohne Bücher wieder, zog sich einen Mantel an und verschwand durch den Ausgang.
Eugene wartete bis kurz vor halb elf, als ein Glockenzeichen verkündete, dass die Bibliothek schloss. Inzwischen waren nur noch zwei Bibliothekarinnen und ein Mann mit zwei Krücken im Lesesaal. Eine der Bibliothekarinnen fing Eugenes Blick auf und deutete mit der Nase auf die Wanduhr. Er nickte, sammelte seine Bücher ein und ging zu dem Regal, um sie wieder einzuordnen. Mitten zwischen den Büchern über Melville stand ein dickes Buch über Stricken. Eugene vergewisserte sich, dass niemand ihn beobachtete, und steckte es in seine Mappe, holte seine Lederjacke von der Stuhllehne und begab sich zum Ausgang. Die Bibliothekarin spähte über ihre Lesebrille hinweg und lächelte ihn an. Eugene öffnete seine Mappe und hielt ihr das Strickbuch hin, damit sie sah, dass er kein Buch aus dem Lesesaal mitgehen lassen wollte.
»Sie sind bestimmt der einzige Student, der Melville liest und Stricken lernt«, sagte sie lachend.
Eugene gelang es, verlegen dreinzuschauen. »Es gehört meiner Freundin.«
»Schade. Es wäre besser um unsere Welt bestellt, wenn Männer stricken würden.«
Max hatte Eugene den Kombi für den Abend geliehen. Statt nach Hause fuhr er ein Stück nach Virginia hinein, wo er eine halbe Stunde später an einer Tankstelle hielt. Während der Wagen betankt wurde, ging er ins Büro des Tankwarts und warf Münzen in den Schlitz des Wandtelefons. Er wählte die Washingtoner Nummer, die Starik ihm per Funk durchgegeben hatte.
Eine schläfrige Stimme meldete sich. »Hallo?«
Eugene sagte: »Ich rufe wegen Ihrer Annonce in der Washington Post an – wie viele Meilen hat der Ford, den Sie anbieten, auf dem Tacho?«
Der Mann am anderen Ende sagte mit einem deutlichen britischen Akzent: »Da sind Sie bei mir f-f-falsch. Ich verkaufe keinen Ford. Auch keine andere Marke.«
»Mist, da muss ich mich verwählt haben.«
Der Engländer zischte: »Ich nehme Ihre unausgesprochene Entschuldigung an«, und legte auf.
Am nächsten Morgen wurden telefonisch vier Flaschen Lagavulin Malt Whisky bestellt. Der Anrufer sagte, er hätte sie gern bis Mittag geliefert. Bernice erwiderte, dass das machbar sei, und notierte die Adresse.
Eugene, der den Kombi durch den dichten Washingtoner Vormittagsverkehr steuerte, fuhr über die Canal Road und dann die Arizona Avenue hoch, von wo er in die Nebraska Avenue abbog, eine ruhige, von Bäumen gesäumte Straße mit stattlichen Häusern auf beiden Seiten. Er überprüfte die Adressen auf dem Bestellschein und hielt um Punkt elf vor Nummer 4100, einem zweigeschossigen Backsteinhaus mit großem Erkerfenster. Der Kunde, der den Whisky bestellt hatte, musste ihn durch das schmale Dielenfenster beobachtet haben, denn die Haustür öffnete sich, bevor Eugene klingeln konnte.
»Alle Achtung, da haben Sie aber einen schicken Wagen. Bitte k-k-kommen Sie herein.«
Der Engländer hatte langes, welliges Haar und trug einen weiten blauen Blazer mit matten Goldknöpfen. Seine Augen waren verquollen wie bei jemandem, der sehr viel Alkohol trinkt. Er zog Eugene in die Diele und sagte: »Ich nehme an, Sie haben eine Visitenkarte.«
Eugene hielt das halbe Stück Pappe hoch, das von einer Packung Weingummi abgerissen worden war (es hatte in dem ausgehöhlten Strickbuch aus dem Regal im Lesesaal gelegen), und der Engländer zog die andere Hälfte aus der Tasche. Die beiden Hälften passten haargenau zusammen. Der Engländer streckte ihm die Hand hin. »Freut mich«, murmelte er. Ein nervöses Zucken zeigte sich in seinem fleischigen Gesicht. »Ehrlich gesagt habe ich nicht erwartet, dass Starik mir einen jungen Burschen wie Sie
Weitere Kostenlose Bücher