Die Comtessa
lächelte gehässig. »In den Jahren seit Aimerics Tod ist es Euch nicht gelungen, Ermessenda zur Heirat zu überreden. Nun benutzt ihr Euren Sohn, um Narbona an Euch zu reißen.«
Menerba stand auf. »Verlasst auf der Stelle mein Haus!«
Auch Tibaut erhob sich. »Die Vizegräfin versucht, Felipes Beteiligung an dieser Entführung vor Alfons Jordan geheim zu halten.«
»Na und? Ich habe nichts damit zu schaffen. Und Felipe gewiss auch nicht. Er ist rebellisch, aber kein Dummkopf.«
»Ermessenda möchte nicht, dass Unfrieden zwischen Euch und dem Grafen entsteht.«
»Und warum kann sie mir das nicht selbst sagen?«
»Nun. In der gegenwärtigen Lage … Ihr versteht. Man sollte den Grafen nicht mehr verärgern, als er schon ist.«
»Mich zu empfangen, könnte ihn also noch mehr verärgern, was? Ich verstehe nur allzu gut.«
Sie hat mich schon lange kaltgestellt, ich wollte es nur nicht wahrhaben, dachte er voller Verbitterung. Nun spielt sie mit anderen Figuren. Ich bin nur noch ein Bauernopfer wert.
»Bevor ich gehe …«, sagte Tibaut. »Die Vizegräfin wünscht, dass Ihr weiterhin dem Grafen die Treue haltet. Im Krieg gegen die Trencavels wird Einsatz erwartet. Oder tut wenigstens so.«
Was erdreistet sich der Kerl? Aber anstatt ihn zurechtzuweisen, dachte er an Felipe. Der Junge musste wahnsinnig sein, so eine Sache anzuzetteln. Und doch war er irgendwie stolz auf ihn. Dass das Mädel den Klauen des Tolosaners entkommen war, freute ihn jetzt diebisch. Er richtete sich zur vollen Größe auf, als er sprach.
»Ihr wart ja so erpicht darauf, sie zu verheiraten«, sagte er. »Nun heißt die Vizegräfin Ermengarda. Ihr allein bin ich verschworen, wie zuvor ihrem Vater.«
Tibaut bedachte ihn mit einem harten Blick.
»
Domna
Ermessenda zählt auf Euch,
Mossenher.
Ganz so wie immer«, sagte er, verbeugte sich knapp und verließ das Haus.
»So wie immer?«, murmelte Menerba, als Tibaut die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Nicht ganz, mein Freund. Einiges hat sich sehr wohl geändert.«
***
Der Mann lag still auf seinem Strohbett in der Herberge des Klosters Espira, das er am späten Nachmittag erreicht hatte. Er war mit sich selbst und seinen Fortschritten sehr zufrieden.
In Fontfreda hatte er leider Zeit verloren. In den Bergen war er dann den Saumpfaden gefolgt, immer in Richtung Süden, wie der Mönch gesagt hatte. An einer Stelle hatte er zwei Erschlagene im Gebüsch entdeckt. Der Gestank ihrer verwesenden Leiber hatte sie verraten. Die Lumpen, die sie trugen, deuteten auf Gesetzlose hin. Ein missglückter Überfall womöglich. Beileibe kein Beweis dafür, dass Ermengardas Gefährten sie getötet hatten. Aber nach dem Zustand der Kadaver zu urteilen, lagen sie hier seit drei oder vier Tagen. Das konnte zeitlich passen. Auch wiesen die Leichen eindeutig Schwertwunden auf. Bauern und armes Gesindel besaßen keine teuren Schwerter.
Als er aus den Bergen kam, war die Furt die einzige Stelle, wo man bequem über den Fluss Agli setzen konnte, und nichts lag näher, als im Kloster Espira nachzufragen. Die Mönche hatten bestätigt, dass eine Reisegruppe wie beschrieben hier übernachtet hatte. Wohin sie weitergeritten waren, konnten sie nicht sagen, außer, dass die Fremden die Straße nach Süden genommen hatten.
In Fontfreda hatte sein Pfeil Ermengarda verfehlt. Einer ihrer Begleiter hatte sich dazwischengeworfen. Es ärgerte ihn, dass der Schuss missglückt war.
Solche Fehler kamen ihm nur selten unter. Aber er würde nicht nachlassen, bis er seinen Auftrag erfüllt hatte. Schon aus persönlichen Gründen. Er war eigentlich kein rachsüchtiger Mann, aber dass sie seinen Bruder getötet hatten, musste gesühnt werden.
Die Küstenstraße, obwohl weitaus schneller, hatten sie vermieden. Deshalb schloss er aus, dass sie nach Perpinhá geritten waren. Es gab zwei Möglichkeiten, von hier nach Barcelona zu gelangen. Entweder über die Hafenstadt Colliur, danach weiter an der Küste entlang auf der angenehmeren Via Domitia. Oder sie waren ins Vallespir geritten, um von dort über rauhe Bergpässe als Nächstes Girona zu erreichen.
Lange dachte er nach.
Dann entschied er sich für das Vallespir.
***
Gausbert de Castel Nou, ganz im Gegensatz zu seiner herrisch herben Festung, war ein Mann, der Prunk und Bequemlichkeit, verschwenderische Fülle und jede Form der Sinnlichkeit liebte. Das weiche Leben, die täglichen Genüsse aus der Küche ebenso wie die endlosen Gelage mit adeligen Kumpanen hatten ihre
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