Die Comtessa
Artaud dagegen war weniger wählerisch. Eine gebratene Rehkeule, ein Stück Brot, etwas Schafskäse zum Nachtisch, das war genug für ihn. Gausbert machte sich deshalb über ihn lustig. Seinem Bruder einen guten Wein einzuschenken, sei reine Verschwendung. Eher sollte man das Tröpfchen den Säuen kredenzen, die verstünden mehr davon. Doch solche Lästerungen schienen Artaud wenig zu kümmern. Er zuckte nur mit den Schultern und grinste zu Gausberts Späßen.
Seit zwei Tagen befanden sie sich auf Castel Nou. Ursprünglich hatten sie vorgehabt, eine Weile zu bleiben. Zumindest bis Raimon wiederhergestellt war. Er fühlte sich häufig fiebrig, und die Wunde machte ihm immer noch zu schaffen. Sie eiterte trotz der Behandlungsversuche einer weisen Frau aus dem Dorf. Auch erneute Aderlasse, auf die Gausberts Bartscher bestanden hatte, schienen seinen Zustand nicht zu verbessern, eher im Gegenteil. Er fühle sich danach schwächer, behauptete er.
Wahrscheinlich brauchte er nur etwas mehr Ruhe, aber Ermengarda wäre am liebsten schon gleich morgen aufgebrochen. Gausberts undurchsichtige Anspielungen verunsicherten sie. Und jedes Mal, wenn sein Bruder Artaud seine Augen auf sie heftete, kam sie sich seltsam nackt vor. Es war nicht Lüsternheit, die sie in diesem Bick erkannte, eher die Raublust eines Habichts, der seine Beute nicht aus den Augen lässt.
»Ihr seid also tatsächlich die Erbin von Narbona?«, fragte nun
Mossenher
Ignatius, Abt des reichen Klosters Santa Maria de Vallespir, als könne er es noch gar nicht recht glauben.
Der Abt war ein kleiner, beleibter Mann in den frühen Sechzigern, mit flinken, lebhaften Augen, leider auch etwas schwerhörig, was die Unterhaltung mit ihm nicht gerade erleichterte. Er war am Nachmittag mit einem Gefolge von Mönchen und Bewaffneten eingetroffen, angeblich auf dem Weg nach Elna, um sich mit Udalger, dem Bischof der Region, zu besprechen. Den Umweg hierher habe er seinem guten Freund Gausbert zuliebe auf sich genommen. So gierig, wie er jedoch den Speisen zusprach und dem guten Tropfen aus Gausberts Keller, war es wohl nicht allein die Freundschaft, die ihn nach Castel Nou getrieben hatte.
»Ich habe
Vescoms
Gausbert bereits den Beweis geliefert«, erwiderte Ermengarda auf seine Frage. Auch Gausbert war zunächst misstrauisch gewesen, bis
Paire
Imberts Brief und Aimars Fürsprache ihn überzeugt hatten, dass sie in der Tat diejenige war, für die sie sich ausgab.
»Was sagt Ihr da?«, fragte der Abt und legte die Hand ans Ohr. Ein junger Mönch aus seiner Begleitung wiederholte mit lauter Stimme Ermengardas Worte. Ignatius nickte. »Ich weiß. Er hat es mir erzählt«, sagte er und runzelte besorgt die Stirn. »Verzeiht, aber das Ganze ist äußerst ungewöhnlich, um es milde auszudrücken. Eine Frau, die sich gegen ihren Gemahl auflehnt, wer hat je so etwas gehört?« Er drohte ihr sanft lächelnd mit dem Finger. »Und dann so ganz allein unterwegs. Gefährlich. Sehr gefährlich.«
Ermengarda deutete auf ihre Gefährten. »Ich bin in guter Begleitung«, sagte sie diesmal laut genug, dass er es verstehen konnte.
Der Abt bequemte sich zu einer angedeuteten Verbeugung in Felipes Richtung. »Ich kenne Euren Vater, junger Mann. Ist er mit diesem Brautraub einverstanden?«
Felipe suchte verlegen nach Worten. »Es handelt sich nicht um Brautraub,
Mossenher
«, stammelte er.
»Nun, wie dem auch sei. Hier haben wir die junge
Vescomtessa
von Narbona. Das ist, was zählt, nicht wahr?« Der Abt hob sein Glas und trank ihr zu.
»Die Gans in Person«, ergänzte Gausbert und wollte nicht mehr aufhören, über seinen eigenen Witz zu lachen.
»Gans?«, fragte der Abt verdutzt, nachdem ihm der junge Mönch die Bemerkung noch einmal laut wiederholt hatte.
»Narbona ist eine fette Gans, hatte ich doch vorhin gesagt. Und nun ist sie hier in Person, sozusagen.«
Gausbert schlug sich dabei vor Vergnügen auf die Schenkel und zwinkerte wieder seinem Bruder zu. Ermengarda wechselte einen betretenen Blick mit
Fraire
Aimar. Auch der schien dem Humor des Vizegrafen wenig abzugewinnen.
Man trug jetzt den nächsten Gang auf, Platten mit dünnen Scheiben von Fasanenbrust, mit Kräutern im eigenen Fett geschmort. Dazu ein prickelnder junger Wein. Ein riesiges Kaminfeuer und die vielen Kerzen sorgten für eine wohlige Wärme in der
aula.
Ermengarda beobachtete verstohlen die Dienstmägde, denn eine weitere seltsame Eigenart dieser Burg war, dass die Bedienung aus hübschen jungen Weibern
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