Die Comtessa
leid. Bin soeben erst vom Pferd gestiegen.«
»Schon gut. Rede endlich.«
Tibaut füllte einen Becher und setzte sich.
»Sie sind wie vom Erdboden verschluckt«, sagte er, nachdem er einen tiefen Zug Wein genommen hatte.
Ermessenda wurde bleich. »Wie kann das sein?«
»Die Tolosaner haben alles nach Norden und Westen abgesucht und wir die Straßen in die Corbieras. Tatsächlich konnten wir sie dort auch aufspüren, bei den Klosterbrüdern in Fontfreda. Ich hatte vermutet, dass sie diesen Umweg nehmen würden. Und du hattest recht, Felipe ist unter den Verschwörern. Wer die anderen sind, konnten wir nicht feststellen. Leider sind sie uns im Nebel entwischt. Einer meiner Männer wurde dabei schwer verwundet.«
»Du wagst es, hierherzukommen, um mir das zu sagen?«, schrie la Bela plötzlich wild vor Zorn.
Tibaut zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Ich bin seit Tagen nicht aus dem Sattel gekommen. Wir haben alles abgesucht, sogar nach Süden die halbe Küste entlang. Sie haben in keiner Herberge übernachtet, niemand hat sie gesehen. Vielleicht konnten sie irgendwo im Wald Unterschlupf finden. Aber wo, das weiß der Teufel.«
Das unerwartete Verschwinden des Mädchens durchkreuzte mächtig ihre Pläne. Aber was nützte es, Tibaut Vorhaltungen zu machen? Solange sie sie noch vor den Tolosanern fanden, ließe sich noch alles zum Guten wenden. La Belas Atem beruhigte sich langsam wieder. Zwischenzeitlich musste sie weitere Möglichkeiten verfolgen. Alfons, durch die Vermählung und den dadurch erworbenen Rechten als Ehemann und Munt der Braut, hielt jetzt alle Macht über Narbona in den Händen. Sie musste versuchen, ihn enger an sich zu binden.
»Hörst du sie da draußen brüllen?«, fragte sie verächtlich. »Die Schafsköpfe glauben, ich selbst hätte sie entführt.«
»Ist ja nicht so abwegig.« Da war wieder sein Wolfslächeln.
Sie tat, als habe sie ihn nicht gehört. »Und was machen wir jetzt?«
»Ich vermute, sie sind irgendwo in der Wildnis der Corbieras«, sagte Tibaut. »Aber mit weiteren Suchtrupps durch die Wälder zu trampeln, hat wenig Sinn. Ich habe da einen Mann, der gut im Verfolgen von Spuren ist. Der hat schon manchen Flüchtigen aufgestöbert.«
»Hoffentlich nicht so ungeschickt wie der andere. Wie es aussieht, wissen sie sich zu wehren. Unterschätz sie nicht. Wird dein Mann sie finden?«
»Es wird etwas länger dauern, aber am Ende wird er sie aufspüren, wo immer sie sich verstecken.«
»In der Wildnis, sagst du?« Ermessendas sonst so anziehendes Gesicht verzerrte sich zu einem hässlichen Ausdruck. »Ich hoffe, da fressen sie die Wölfe!«
***
Jahrelang hatte
Vescoms
Peire de Menerba nicht mehr an seine verstorbene Gemahlin gedacht. Ihr Tod lag schon so weit zurück, dass es ihm unverständlich war, warum in letzter Zeit die Erinnerung an sie ihn immer häufiger plagte. Er sah ihr schmales Gesicht vor sich, weiße Hände in den Schoß gelegt, die Augen vertrauensvoll auf ihn gerichtet. Ihren Leib, oder wie es mit ihr im Ehebett gewesen war, konnte er sich beim besten Willen nicht mehr ins Gedächtnis rufen. Hatten sie überhaupt noch miteinander geschlafen in den letzten Jahren? Ihr Bild war mit Schuldgefühlen verknüpft, die sich nicht abschütteln ließen.
In Wahrheit waren sie nie eine glückliche Familie gewesen. Das war allein seine Schuld, wie er wusste, auch wenn er es sich nicht gern eingestand. Seit ihrem Tod hatte er einen strikten Männerhaushalt geführt, einfach, militärisch, streng, ohne Freude. War das der Grund, warum Felipe immer so aufgebracht gegen ihn war? Nein, natürlich nicht. Der Grund war Ermessenda. Diese unselige Leidenschaft, der er nicht entsagen konnte. Sein Sohn verachtete ihn. Er verachtete sich selbst.
Felipe und er gingen sich meist aus dem Weg. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass er ihn seit Tagen nicht gesehen hatte. Von Ermengardas seltsamem Verschwinden wusste er natürlich, konnte sich aber keinen rechten Reim darauf machen und tat es ab als die Torheit einer Heranwachsenden. Waren sie nicht alle ein bisschen wild in diesem Alter? Sie würde schon wiederauftauchen. Von den vielen Gerüchten, die im Umlauf waren, hatte er wenig mitbekommen, und dass sein Sohn in die Flucht verwickelt sein könnte, erfuhr er erst, als Tibaut de Malvesiz ihn am späten Nachmittag aufsuchte.
»Ich kann es nicht glauben«, sagte Menerba. »Warum sollte er das tun? Wer behauptet so etwas?«
»Er wurde gesehen. Die Sache ist eindeutig.« Tibaut
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