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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Stadtgespräch. Obwohl viele über den Streich jubelten, den man dem Grafen gespielt hatte, so war doch jedermann überzeugt, seine Männer würden die Ausreißerin innerhalb von Stunden wieder einfangen, spätestens am nächsten Tag. Denn wo sollte ein junges Mädel denn schon hin? Einer der vielen Reiter, die die Gegend durchkämmten, würde sie erkennen und stellen. Oder sie selbst, schutzlos zu Fuß unterwegs – denn niemand vermisste ein Pferd –, noch dazu ohne Nahrung oder warme Kleidung, würde die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens einsehen und heimkehren.
    Als sie aber weiterhin verschollen blieb, begannen die Leute zu zweifeln, dass die junge Erbin sich ganz allein davongemacht haben sollte. Die wildesten Gerüchte flogen durch die Gassen. Aus dem
palatz vescomtal
sickerten schaurige Geschichten von Mord, Totschlag und Vertuschung. Von den Tolosanern dagegen ließ sich vernehmen, die Trencavels hätten sie geraubt, man habe stichhaltige Beweise und rüste sich zum bewaffneten Angriff, um Ermengarda zu befreien. Andere dagegen redeten von maurischen Piraten, riesige Lösegeldforderungen stünden im Raum.
    Einige, mit der Herrschaft der
vescomtessa
Unzufriedene, bezichtigten sogar Ermessenda selbst. Nie sei sie mit der Vermählung einverstanden gewesen und halte das arme Kind auf einer abgelegenen Burg in der Corbieras gefangen. Sie legten Blumen vor dem Palast nieder und forderten im Chor: »Wo ist Ermengarda? Gebt uns Ermengarda wieder!«
    Doch am hartnäckigsten hielt sich ein Gerücht, das trotz la Belas Bemühungen, die Sache geheim zu halten, über den Marktplatz verbreitet und wahrscheinlich aus Quellen des Palastes selbst genährt wurde. Es handelte sich dabei um eine wildromantische Geschichte von verzweifelter, heimlicher Leidenschaft und nächtlicher Flucht, von Liebesschwur und Treue bis in den Tod. Eine rechte Ritterromanze. Besonders die Damen der Stadt ließen nicht ab, sich gegenseitig Einzelheiten auszumalen. Auch wurde der Name Felipe de Menerbas geflüstert. So ein schmucker junger Bursche, raunten sie und kamen aus dem Seufzen nicht mehr heraus.
    »Glaubst du wirklich, sie ist mit Felipe davon?«
    Auch Nina wollte nicht davon aufhören. Das ging nun schon seit Tagen so und trieb Ermessenda zur Verzweiflung.
    »Aber ja doch. Mit wem sonst?«, erwiderte sie gereizt.
    »Und warum heißt es, die Trencavels hätten sie entführt?«
    Für einen winzigen Augenblick war la Bela um eine Antwort verlegen. Dann sagte sie: »Den Bären haben wir dem Grafen aufgebunden, falls deine Schwester ihm zuerst in die Hände fallen sollte. Wer weiß, was er in seiner Wut mit ihr anstellt, wenn er die Wahrheit wüsste. Inzwischen ist ihnen Tibaut auf der Fährte. Es ist deiner Schwester nur zu wünschen, dass er sie noch vor den Tolosanern findet.«
    »Arme Erminha. Hoffentlich wird es nicht so schlimm für sie.«
    »Wenn Alfons herausfindet, dass sie sich mit einem jungen Kerl davongestohlen hat, dann gnade ihr Gott. Du sagst also kein Wort, hast du mich verstanden?
No parla mot!
«
    Nina nickte ernst. »Versprochen, Mama.« Aber lachen musste sie dennoch. »Einfach so, auf und davon. Mit Felipe!«
    Die ganze Sache war einfach zu unwiderstehlich. Dass Ermengarda zu so etwas fähig war, hätte sie nie gedacht. Ninas Bewunderung für ihre Halbschwester fand seit der Flucht keine Grenzen. Und dann auch noch mit Felipe. Für Felipe schwärmte Nina endlos. Mit verträumtem Blick sah sie aus dem Fenster. Ob sie jemals so etwas tun könnte? Nein, den Mut hätte sie bestimmt nicht.
    »Du darfst ihr nichts antun, Mama«, sagte sie.
    »Wir werden sehen«, erwiderte la Bela streng.
    Da klopfte es, und
Domna
Anhes stand steif im Türrahmen.
    »Der
Cavalier
Tibaut wünscht Euch zu sprechen, Herrin.«
    »Worauf wartest du? Schick ihn sofort herein.«
    Endlich hatte das elende Warten ein Ende.
    »Geh, Nina! Lass mich mit Tibaut allein.«
    »Immer wenn es spannend wird …«
    »Geh jetzt«, herrschte la Bela sie an. »Und untersteh dich, an der Tür zu lauschen.«
    Nina kannte diesen Tonfall. Mit ihrer Mutter war jetzt nicht zu spaßen. Als sie das Zimmer verließ, wäre sie fast mit Tibaut zusammengestoßen.
    »
Escusa,
Donzela
Nina.« Höflich hielt er ihr die Tür auf. Nina schlüpfte eilig hindurch. Dieser Tibaut war ihr einfach zu unheimlich.
    Als sie allein waren, fragte Ermessenda ungeduldig: »Hast du sie endlich gefunden?«
    »Darf ich mich erst einmal setzen?«
    »Mit den dreckigen Stiefeln?«
    »Es tut mir

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