Die Comtessa
Alfons und seine Höllenhunde.«
»Aber herrscht nicht die Familie der Vizegrafen?«
»Seit Aimerics Tod geht es nur bergab«, knurrte der Mann. »Alles geht zum Teufel,
putan.
Und der Tolosaner reißt sich die Grafschaft unter den Nagel. Verdammte Weiberherrschaft!«
»Hört auf zu fluchen,
Maistre
Bernat!« Die Marktfrau funkelte ihn zornig an. »Die
vescomtessa
tut, was sie kann. Außerdem sagt der Erzbischof, dass Alfons unser oberster Lehnsherr ist. Das wisst Ihr so gut wie wir alle.«
»Der Erzbischof? Dass ich nicht lache!« Der Mann zog verächtlich die Mundwinkel nach unten. »Der stand schon immer in Tolosas Diensten.«
Als habe Gott sie gehört, ließ er in diesem Augenblick den ehrenwerten Kirchenfürsten, von dem die Rede war, in Erscheinung treten. Der Umzug war in der Mitte des Platzes zum Stehen gekommen, der Gesang der Mönche verstummt. Nun herrschte eine erwartungsvolle, nur von Flüstern oder Hüsteln unterbrochene Stille, in die Erzbischof Arnaut de Leveson wirkungsvoll durch das Stadttor trat. Unter einem von vier Ministranten getragenen, seidenen Baldachin wandelte er feierlichen Schrittes daher, Mitra auf dem Haupt und Krummstab in der Linken. An die siebzig Jahre mochte er zählen. Er war von kleiner und schmaler Gestalt. Sein faltiges, bartloses Gesicht und der leicht vornübergebeugte Gang verstärkten den Eindruck von Alter und Zerbrechlichkeit. Im Gegensatz dazu bewiesen das entschlossene Kinn und die klugen Augen, die mit schnellem Blick die Menge überflogen, dass er durchaus regen Geistes war.
Der Erzbischof erteilte dem Volk den Segen, während er sich langsam der Lade des Heiligen näherte. Arnaut bewunderte das golddurchwirkte Gewand und die kostbaren Insignien, wie der Stab mit der vergoldeten Krümme, das schwere Goldkreuz auf der Brust und der Bischofsring, dessen violetter Stein im späten Nachmittagslicht für einen Augenblick aufleuchtete. Die Gestalt des alten Bischofs strahlte so viel fromme Würde aus, dass Arnaut ebenfalls auf die Knie gefallen wäre, hätte er nicht die Pferde halten müssen. Hastig hob er das goldene Kreuz seiner Mutter an die Lippen und küsste es inbrünstig.
Während der Bischof neben der Lade seinen Platz einnahm, umringten ihn Geistliche und Mönche, darunter der weißhaarige Abt des Klosters Sant Paul, wie die Marktfrau Arnaut erklärte. Dichtauf folgten weitere Bewaffnete, diesmal die
militia urbana
in den Farben von Narbona, und drängten die Zuschauer weiter zurück, um Platz für eine Gruppe von erlesen gekleideten Edelleuten zu schaffen, die inzwischen durch das Tor getreten waren. Hinter dem Träger des Banners von Narbona und in Begleitung eines schlanken, ganz in Schwarz gewandeten Mannes schritt eine
domna
von edlem Geblüt. Das kostbare Gewand, der pelzverbrämte Mantel und ihr aufwendiger, edelsteinbesetzter Kopfschmuck, aber vor allen Dingen das stolze, hoheitsvolle Auftreten zeichneten sie als eine Dame höchsten Ranges aus.
»Ermessenda la Bela, Graf Aimerics Witwe und Herrscherin von Narbona«, beantwortete die Marktfrau Arnauts Frage, wer dies sei.
»Regentin, meine Liebe, nur Regentin«, verbesserte der Handwerker. »Obwohl jeder weiß, sie strebt nach mehr.«
Die Marktfrau warf dem Mann einen missbilligenden Blick zu, bevor sie sich wieder an Arnaut wandte. »Und die hübsche
donzela
an ihrer Seite ist ihre Tochter. Ebenfalls mit Namen Ermessenda.«
Das blonde Edelfräulein, eher noch ein Kind, hielt sich bei der Mutter untergehakt und betrachtete neugierig die Menge. Dass sie den Namen ihrer Mutter trug, war bei den Familien des fränkischen Hochadels nicht unüblich. Den Bischof schien die Fürstin mit keinem Blick zu würdigen, sondern unterhielt sich scherzhaft mit ihrer Tochter, als habe sie nicht viel übrig für fromme Feierlichkeiten. Auch ihr seidener Kopfschmuck in Form eines sarazenischen Turbans war wirklich zu auffällig für die Gelegenheit. Arnaut hatte gehört, dass solcher Kopfputz in letzter Zeit höfischer Brauch geworden war. Darunter war ihr üppiges rotes Haar in einer Art Netz gefangen. Sie war nicht ganz so hübsch wie ihre Tochter, dennoch verliehen die vollen, geschwungenen Lippen und hellgrünen Augen ihrem Antlitz einen eigentümlichen Reiz.
»Warum la Bela?«, fragte Arnaut.
»Weil sie eine eitle Katze ist«, sagte
Maistre
Bernat, bevor die Marktfrau antworten konnte. »Würde mich nicht wundern, wenn sie das Erbteil ihrer Töchter schon verprasst hat.«
Die Marktfrau fauchte wütend
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