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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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möglich war, den Weg durch die Menge zu bahnen. Gelächter und Spottrufe überschwemmten Arnaut de Leveson, die er nur halb verstand und noch weniger glauben mochte. Als sie jedoch in la Belas Empfangssaal traten, war das Erste, was er zu seinem Entsetzen wahrnahm, Alfons’ hochroter Kopf und Ermessendas leichenblasse, betretene Miene. Es stimmte also.
Mon Dieu, mon Dieu, mon Dieu!
    »Wie konnte das geschehen?«, brüllte Alfons.
    »Wir untersuchen die Angelegenheit noch«, redete Tibaut beschwichtigend auf ihn ein. Doch der schenkte ihm keinerlei Beachtung. Sein Zorn und gekränkter Stolz entluden sich mit voller Wucht über der Vizegräfin.
    »Willst du mich zum Narren machen, Weib?«, donnerte er. »Und das vor der ganzen verdammten Stadt?« Seltsamerweise verhaspelte er nicht die Worte, wenn ihn die Wut gepackt hatte.
    »Wieso glaubst du, es ist meine Schuld?«, schrie Ermessenda.
    »Du hast sie irgendwo versteckt! Wo ist sie?«
    Nun starrte auch der Erzbischof sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Es ist ihr durchaus zuzutrauen. Sie ist ein Teufelsweib.«
    »
Mossenher l’Avesque,
was sagt Ihr da?«, warf Tibaut ein. »Welchem Zweck sollte dies denn dienen? Die Verträge sind unterschrieben und alle im Sinne der Vizegräfin. Sie wird doch nicht gegen den eigenen Vorteil handeln.«
    »Lächerlich will sie mich machen!«, schäumte Alfons.
    »Und dein Spitzel in meinem Haus?«, keifte sie zurück. »Was ist damit, eh?«
    »Was für ein Spitzel?«
    Tibaut musste ihm die Sache mit der Leiche erklären, die man in Ermengardas Gemach gefunden hatte.
    »Er trug dein Wappen«, ereiferte sich la Bela.
    »Bist du verrückt? Ich habe keinen Spitzel geschickt!«
    Plötzlich wurden seine Augen zu Schlitzen, als er den Erzbischof misstrauisch anstarrte. »Vielleicht war es deiner. Was für ein heimtückisches Spiel treibst du hier eigentlich?«
    »Messenhers!«,
rief Peire de Montbrun. »Ich bitte Euch! Was nützen gegenseitige Anschuldigungen? Besonders, wenn sie so grundlos sind.«
    Tibaut räusperte sich, um sich erneut zu Wort zu melden. »Es ist offensichtlich, dass diese sogenannte Flucht nicht unüberlegt und aus dem Augenblick heraus erfolgt ist. Entweder hatte Ermengarda Hilfe von außen, was auf eine Verschwörung schließen ließe. Oder sie ist nicht freiwillig verschwunden.«
    »Nicht freiwillig?«
    »Möglicherweise ist sie entführt worden.«
    Bei diesen Worten riss Alfons die Brauen hoch, während der alte Leveson Tibaut argwöhnisch musterte. »Wer soll sie denn entführt haben?«, fragte er.
    »Die, denen es am meisten nützen würde.« Tibaut lächelte sein dünnes Wolfslächeln. »Es ist selbstverständlich nur eine Vermutung, aber wenn man die Umstände betrachtet, die vorzügliche Planung, die Gewaltanwendung …«
    Alfons starrte ihn lange an.
    »Die Trencavels«, flüsterte er dann und nickte zustimmend. Tibaut blieb ganz ruhig und sagte nichts weiter. Der Graf sollte nicht später sagen können, er habe ihn angelogen.
    Alfons marschierte nun aufgeregt umher.
    »Natürlich!«, murmelte er. »Das trägt eindeutig Rogers Handschrift.« Gemeint war Roger de Trencavel, der älteste der drei Brüder und Oberhaupt jener berüchtigten Familie. »Der war schon immer ein verschlagener Hund.« Er blieb stehen und grinste bitterböse. »Mit der Erbin von Narbona als Faustpfand in der Hand … Mein Gott, wie kann er mich da erpressen, der Hund!«
    Erzbischof Leveson schien nicht überzeugt. Er öffnete den Mund, aber Alfons ließ ihn nicht zu Worte kommen.
    »Das arme Kind! Wie muss sie leiden!« Er schlug sich in die Faust und nahm seine Runden wieder auf.
    »Meine Männer sind dabei, die Stadt zu durchsuchen«, sagte Ermessenda, »denn die Flüchtenden müssen noch in den Mauern sein. Allerdings sollten auch die Ausfalltore gesperrt und die Straßen in alle Richtungen überwacht werden. Nur, fürchte ich, fehlen mir die Mannschaften dazu.«
    »Recht hast du, meine Liebe«, rief Alfons und wandte sich an Joan de Berzi, der ihn begleitet hatte. »Du hast gehört, Joan. Schick sofort deine Reiter aus. Wir müssen sie fassen, ehe es zu spät ist.«
    ***
    Sie saßen auf den obersten, bröckeligen Stufen der Überreste einer römischen Arena, die in eine gewaltige, von Menschenhand geschaffene Mulde gebettet war. Wenig war von der kreisrunden Umfassungsmauer geblieben. Torbögen und Treppenaufgänge, durch die einst die Zuschauer der alten Welt zu ihren Sitzen geströmt waren, konnte man nur noch erahnen. Auch

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