Die Comtessa
Kopf.
»Ich glaube nicht.«
»Er war wie einer der Wachen gekleidet.«
»Ich habe es nicht so genau gesehen.«
»Er muss dich für einen Eindringling gehalten haben.«
Dass er sie ohne jede höfische Förmlichkeit ansprach, gefiel ihr, schließlich waren sie Verschwörer und aufeinander angewiesen.
Während sie warteten, horchten sie angespannt auf jedes Geräusch, das zu ihnen heraufdrang. Lärm der Wachen hatten sie erwartet, gebrüllte Befehle, Stiefelgetrampel, Rütteln an der Kammertür.
Aber nichts dergleichen. Außer dem Lautenspiel der
joglars
und den ausgelassenen Stimmen der Festgäste, unten im Hof und in der
aula,
war nichts zu hören. Wie konnte das sein? Hatte man den Toten nicht gefunden?
Da ließ sich ein Rascheln vor der Kammertür vernehmen und ein leises Kratzen.
Domna
Anhes. Arnaut sprang auf und öffnete, jedoch nicht ohne eine Hand auf den Dolchgriff zu legen. Die ältliche Hofdame schlüpfte in die Kammer und riegelte gleich wieder hinter sich ab.
Misstrauisch starrte sie Arnaut an.
»Wer ist dieser junge Mann?«, flüsterte sie.
»Er heißt Arnaut und ist Felipes Freund«, erwiderte Ermengarda ebenso leise. »Felipe de Menerba. Du weißt schon.«
Domna
Anhes zog ein feuchtes Tuch aus ihrem Rock und drückte es Arnaut in die Hand.
»Besser, du wischst das Blut ab.« Dann wandte sie sich wieder Ermengarda zu. »Menerbas Sohn. Der ist also auch dabei. Hätte ich mir denken können, so wie du immer mit ihm tuschelst.« Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Und wer, um Himmels willen, ist der tote Mann in deiner Kammer?«
»Wir wissen es nicht. Er hat uns plötzlich angefallen. Vielleicht hat er mich für einen Dieb gehalten, so wie ich aussehe.«
»Ich habe dich gleich erkannt«, bemerkte
Domna
Anhes trocken. »Na ja, dafür kenne ich dich zu gut. Du willst also vor dem Tolosaner fliehen, wenn ich es recht verstehe.«
»Die Ehe ist noch lange nicht vollzogen.«
»Und wo willst du hin?«
Ermengarda schwieg und blickte trotzig.
»Nun, du musst es mir nicht sagen. Sogar besser so, dann kann ich mich nicht verplappern. Aber du weißt, dass ich das nicht gutheißen kann!«, sagte sie streng. »Nein, gutheißen kann man es nicht. Zumindest nicht mit dem Verstand.«
Und plötzlich lächelte sie, fast wie ein junges Mädchen. Ein wahrhaft seltener Anblick. Und dann geschah etwas noch Seltsameres, denn auf einmal hatte sie Tränen in den Augen und drückte die überraschte Ermengarda kurz und heftig an ihre knochige Brust. »Aber mit dem Herzen bin ich bei dir, mein Kind.«
Dann berichtete sie den Stand der Dinge. »Sie haben alles durchwühlt und natürlich den Toten entdeckt. Jetzt suchen sie überall nach dir. Aber die Gäste sollen nichts merken. Wahrscheinlich hoffen sie, dich noch rechtzeitig vor der Heimführung der Braut zu finden. Tibaut ist ein kluger Mann. Ich glaube, er vermutet, dass du Hilfe von außen hattest.«
Ermengarda ließ sich entmutigt auf ihre Truhe sinken.
»Wenn wir ein Seil hätten«, sagte Arnaut, »dann könnten wir in der Nacht über die Mauer klettern.«
»Nein, nein«, entgegnete
Domna
Anhes sofort. »So lange dürft ihr nicht hierbleiben. Das ist zu gefährlich. Ich selbst werde euch aus dem Palast schmuggeln. Am besten sofort, bevor sie alle Tore der Stadt abriegeln. Ich weiß auch schon, wie.«
»Eine Bitte«, sagte Arnaut. »Findet Raimon de Narbona. Er wartet unten und wird sich Sorgen machen. Sagt ihm, was geschehen ist. Sie sollen auf uns am Treffpunkt warten, ganz gleich, wie lange es dauert.«
Domna
Anhes versprach es und machte sich dann eiligst davon. Doch es dauerte nicht lange, da war sie zurück und kratzte erneut an der Tür.
»Gib mir deinen Umhang«, sagte sie zu Ermengarda. »Den nehme ich. Und das hier zieht euch über.« Sie reichte jedem einen
sobrecot
aus grobem Leinen mit dem Wappen der Vizegrafen versehen. »Wie Ermengarda weiß, gehe ich oft von Wachen begleitet zu den Bauern vor der Stadt, um Feldfrüchte auszusuchen, die sie an die Küche zu liefern haben.«
Ermengarda machte große Augen, aber tat wie ihr geheißen. Auch Arnaut verwandelte sich in einen Wachmann des Hauses.
Domna
Anhes musterte Ermengarda von oben bis unten. »Ein bisschen schwächlich für einen Soldaten. Und die Mütze ist auch unpassend. Aber das lässt sich jetzt nicht ändern.« Auch Arnaut bedachte sie mit einem prüfenden Blick. »Wir gehen jetzt gleich, denn Tibaut de Malvesiz hat schon die meisten Wachleute auf den Markt und auf die Brücke
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